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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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‚Revolution‘ im damaligen Musikdenken eingesetzt hatte, da emotionale Ent-
äußerung ebenfalls mimetisch konzipiert sein kann,582 ist die ‚reine‘ Musik
gleichwohl aufgewertet worden, welche nicht mehr die äußere Natur notdürf-
tig nachahmen, sondern vielmehr die inneren Zustände des fühlenden Men-
schen ausdrücken sollte. Dieses Modell markiert eine generelle Tendenz der
‚englischen‘ Musikästhetik, die mit Charles Avison, James Beattie oder auch
Adam Smith eine künstlerische Nobilitierung der marginalisierten Instrumen-
talmusik in die Wege leiten sollte.583
Beattie hat das Mimesis-Konzept im System der Künste bei instrumentalen
Kompositionen mit dem heute selten erörterten Buchessay On Poetry and Music
as They Affect the Mind – 1762 verfasst, 1776 gedruckt584 – dann gänzlich auf-
gelöst, da es dem fehlgeleiteten abstrahierenden Kunstverständnis einer „strict
analogy which all the fine arts are supposed to bear to one another“ entsprang.585
Bei ihm ist dann auch der Begriff der ‚reinen‘ Musik („music purely instru-
mental“) festgehalten, der Abegg sogar dazu führt, einen direkten Einfluss auf
Hanslicks VMS-Traktat – ohne jede Angabe von historischen Bindegliedern –
provisorisch anzunehmen, was eine rezeptive Interaktion suggeriert, die ver-
mutlich niemals bestand.586 Eine Form der musikalischen Nachahmung – die
erwähnte Imitation von physischer Bewegung und klanglichen Ereignissen –
wird zwar durch Beattie dezidiert gestattet, jedoch zugleich limitiert: „Sounds
in themselves can imitate nothing directly but sounds, nor in their motions any
thing but motions. But the natural sounds and motions that music is allowed to
imitate, are but few. For […] they must all be consistent with the fundamental
144; Betzler/Nida-Rümelin/Cojocaru, Kunstphilosophie (wie Anm. 259), S. 70–74 und
285–292.
582 Jin-Ah Kim, „Mimesis und Autonomie. Zur Genese der Idee der ‚autonomen Musik‘“, in
Mf 64/1 (2011), S.Â
24–45, hier S.Â
37. Vgl.: Neubauer, Emancipation (wie Anm.Â
576), S.Â
6f. Für
die größeren Kontexte siehe hier auch: M. H. Abrams, The Mirror and the Lamp: Romantic
Theory and the Critical Tradition, New York 1953.
583 Wilhelm Seidel, „Nachahmung der Natur. Über Modulationen des Prinzips im Blick auf
die Musik“, in Musikästhetik, hrsg. von Helga de la Motte-Haber und Eckhard Tramsen,
Laaber 2004, S. 133–150, hier S. 148f. Zum graduellen Rückgang des Mimesis-Prinzips
vgl.: Goehr, Imaginary Museum (wie Anm. 374), S. 148–175; Bicknell, „Modern Period“
(wie Anm. 580), S. 277–280.
584 Palézieux, Lehre vom Ausdruck (wie Anm. 578), S. 109; Neubauer, Emancipation (wie
Anm. 576), S. 154; Kim, „Mimesis Autonomie“ (wie Anm. 582), S. 35.
585 James Beattie, „On Poetry and Music as They Affect the Mind“, in ders., Essays, Edin-
burgh 1778, S. 1–318, hier S. 128.
586 Ebda., S. 135. Vgl.: Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 24; ders., „Eduard Hanslick
und die Idee der ‚reinen Instrumentalmusik‘“, in Antonicek/Gruber/Landerer, Hanslick
zum Gedenken (wie Anm. 10), S. 29–38, hier S. 30. Zur „music purely instrumental“ vgl.:
Karl H. Darenberg, Studien zur englischen Musikästhetik des 18.Â
Jahrhunderts, Hamburg 1960,
S. 121.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423