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3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound
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und keine „direct reference to the world outside“ habe: „Their abstract forms
and arrangements of forms appeal […] not as objects of recognition or as con-
cerned with facts known elsewhere, but as something wholly unimaginable
apart from the special manifestation.“648 Als Form werden sodann „abstract
proportions of time and pitch“, als Material „some system of notes; for us the
notes of the chromatic scale“ und als eigentlicher Gegenstand („subject-mat-
ter“) „auditory forms, i.e. series and combinations of sounds“ definiert, welche
„wholly independent both of external phenomena and external utility“ seien
sowie keinerlei „existence independent from art“ haben würden: „Subjects are
the leading and recurrent phrases in a composition.“649 Die verbreitete Vorstel-
lung des organischen Kunstwerks wird abermals illustriert, indem dieses als ein
„living organism“ bezeichnet und mit der „mechanical structure“ kontrastiert
wird, wobei dessen zentrales Kriterium die „absence of utility“ sei.650 In Hans-
licks VMS-Traktat ist das organische Musikmodell651 mit analogen Absichten
ebenfalls mehrfach benutzt worden: „Nachdem die Composition formellen
Schönheitsgesetzen folgt, so improvisirt sich ihr Verlauf nicht in willkürlich
planlosem Schweifen, sondern entwickelt sich in organisch übersichtlicher All-
mäligkeit wie reiche Blüthen aus einer Knospe“ (VMS, S. 167).652 Das Bild der
‚organischen Entwicklung‘ konkretisiert den eminenten Stellenwert, den das
Hauptthema in Hanslicks Argument einnimmt, das gegenüber der musikali-
schen Durchführung normativ begünstigt wird und welcher dessen klassizis-
tische Stilempfindung veranschaulicht. Denn wenn etwas nicht „(offenkundig
oder versteckt) im Thema ruht“, kann dies „später nicht organisch entwickelt
werden und weniger vielleicht in der Kunst der Entwicklung, als in der sym-
phonischen Kraft und Fruchtbarkeit der Themen liegt es, daß unsere Zeit keine
Beethoven’schen Orchesterwerke mehr aufweist“ (VMS, S. 168f.).653
648 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 60.
649 Ebda., S. 55. Siehe dazu etwa auch: ebda., S. 205f.
650 Ebda., S. 43–48. Vgl.: Budd, „Gurney“ (wie Anm. 629), S. 371 und 378.
651 Ruth A. Solie, „The Living Work: Organicism and Musical Analysis“, in 19thCM 4/2
(1980), S. 147–156; Lotte Thaler, Organische Form in der Musiktheorie des 19. und beginnenden
20. Jahrhunderts, München/Salzburg 1984; Leonard B. Meyer, Style and Music: Theory,
History, and Ideology, Philadelphia 1989, S.Â
189–205; Lothar Schmidt, Organische Form in der
Musik. Stationen eines Begriffs 1795–1850, Kassel u.a. 1990; Mark Evan Bonds, Wordless
Rhetoric: Musical Form and the Metaphor of the Oration, Cambridge, Mass./London 1991.
652 Zu Hanslicks Adaption des organischen Musikbegriff vgl.: Notley, Music and Culture (wie
Anm. 163), S. 23; Steege, „Music Theory“ (wie Anm. 252), S. 297; Nina Noeske, „Body
and Soul, Content and Form: On Hanslick’s Use of the Organism Metaphor“, in Grimes/
Donovan/Marx, Rethinking Hanslick (wie Anm. 4), S. 236–258; Roger Scruton, „Compo-
sition“, in Gracyk/Kania, Philosophy and Music (wie Anm. 155), S. 517–524, hier S. 522f.
653 Für den Vergleich von Hanslick und Gurney siehe etwa auch: Bujić, „Year 1885“ (wie
Anm. 635), S. 150f. Vgl. Kap. 4.2.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423