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4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte, Vertreter
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weiterhin vertreten, was auch eine entsprechende Klassifizierung von Hans-
licks VMS-Traktat beförderte, welche jedoch andere Wurzeln haben dĂŒrfte
als ihr âdeutschesâ Gegenbild. Wenn Wagners Theorie des Gesamtkunstwerks
und die sie umgebenden Kontroversen fĂŒr die deutschsprachige Ăsthetikdis-
kussion neuerlich relevant scheinen, ist â wie nun genauer erlĂ€utert wird â die
angloamerikanische Formalismusdebatte aus philosophischen Fragestellungen
hervorgegangen, die eng mit der Kantâschen Urteilskritik (Kap. 4.1) und dem
englischen Kunstkritiker Bell (Kap. 4.2) verbunden sind.
Es sei jedoch bereits eingangs angemerkt, dass die oft kritische Auslegung
Hanslicks als rigoroser Formalist in diesen beiden SprachrÀumen durchaus
gelÀufig ist, jedoch niemals allgemein akzeptiert wurde. Diese schwankende
Einordnung kann durch zwei kurze Beispiele aus dem 20. Jahrhundert deutlich
gemacht werden: Denn wenn etwa Maecklenburg die âformalistische Niede-
rungâ Hanslicks im Jahr 1915 kritisch beĂ€ugte,856 meinte Misch nur wenig spĂ€-
ter: Wer Hanslicks VMS-Traktat âfĂŒr eine âFormal-Aesthetikâ anspricht, der hat
Hanslicks Ideen grĂŒndlichst miĂverstandenâ.857 Zwei vergleichbar anschauliche
Fallbeispiele aus den letzten Jahren zeigen zudem, dass diese kontrÀren Positio-
nen weiterhin bestehen, was die betrÀchtliche Inkonsistenz der jeweiligen Hans-
lick-Lesarten hinreichend verdeutlicht. Maecklenburgs Interpretation teilend,
betont ebenso Valk die âformalĂ€sthetischen Reduktionismenâ von Hanslicks
Argument,858 wĂ€hrend Werner Keil davon spricht, dass Hanslick âder seiner
Intention nicht gerecht werdende Vorwurf des Formalismus gemacht wurdeâ.859
Wenngleich die Bewertung Hanslicks als mehr oder weniger radikaler âForma-
listâ im deutschen Sprachraum sicherlich dominiert,860 wird doch auch klar, dass
kein völliger Konsens hinsichtlich der vorwiegend normativen Fragestellung
zu Hanslicks Hypothese erzielt worden ist (Kap. 4.3). Eine Àhnliche Diagnose
gilt auch fĂŒr den englischen Sprachraum, wo Hanslicks VMS-Traktat ebenfalls
856 Albert Maecklenburg, âDie Musikanschauung Kantsâ, in Mus 14/1 (1914â1915), S. 207â
218, hier S. 216.
857 Ludwig Misch, âEduard Hanslickâ, in AMz 52 (1925), S. 737â739, hier S. 739.
858 Thorsten Valk, Literarische MusikÀsthetik. Eine Diskursgeschichte von 1800 bis 1950, Frankfurt
2008, S. 25.
859 Keil, Basistexte MusikÀsthetik (wie Anm. 422), S. 229.
860 Siehe hierzu neuere Beispiele seit etwa 1980: Henneberg, Musikalisches Kunstwerk (wie
Anm.Â
107), S.Â
54f.; Karl Gustav Fellerer, Studien zur Musik des 19.Â
Jahrhunderts, Regensburg
1984, Bd. 1, S. 166; Evelin E. Klein, EinfĂŒhrung in die Ăsthetik. Eine philosophische Collage,
Wien 1987, S. 86; Martin Huber, Text und Musik. Musikalische Zeichen im narrativen und
ideologischen Funktionszusammenhang, Frankfurt u.a. 1992, S. 25; Kutschera, Ăsthetik (wie
Anm.Â
724), S.Â
478; Einfalt/Wolfzettel, âAutonomieâ (wie Anm.Â
598), S.Â
433; Pia-Elisabeth
Leuschner, Orphic Song with Daedal Harmony. Die âMusikâ in Texten der englischen und deut-
schen Romantik, WĂŒrzburg 2000, S. 30.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423