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4.1. Die Wiege des Ă€sthetischen Formalismus? â Kants Kritik der Urteilskraft
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sen. Dies zeigt sich schon daran, dass noch immer unklar ist, ob Hanslick die
Werke Kants jemals studiert hat, den er in der Àsthetischen Abhandlung neben
Rousseau, Herbart, Hegel und anderen Denkern nur als âgewichtige Stimmeâ
bezeichnet, die âreineâ Musik als âinhaltlosâ betrachtet (VMS, S.Â
160). Dass Kants
Lehre bis zum Jahr 1860 vom österreichischen Bildungssystem weitestgehend
ausgeschlossen war, offiziell lediglich polemisch behandelt werden durfte und
die fortdauernde Privilegierung der âLeibniz-Wolffâschen Popularphilosophieâ
bedacht werden sollte, die erst viel spĂ€ter durch âpositivistischeâ Theoriemo-
delle (Herbart, Bolzano, Brentano) ergÀnzt wurde, ist bereits erörtert worden
(Kap. 1.2 und Kap. 1.3).954 Der Verlust von Hanslicks Nachlass (Kap. 1.1) sorgte
zudem dafĂŒr, dass auch eine private LektĂŒre der Kantâschen Urteilskritik, die
durchaus möglich gewesen wÀre, nicht belegt werden kann und gÀnzlich spe-
kulativ bleiben muss. Payzant warnte daher vor ĂŒbereilten Annahmen zu theo-
retischen Konvergenzen zwischen diesen beiden Autoren: âwe have neither
internal nor collateral evidence upon which to make a positive claim for an
influence from the one to the other.â955
Aufgrund ungĂŒnstiger historischer Bedingungen, die schlichtweg unmög-
lich machen, Hanslicks Kenntnis von Kants Kritik letztgĂŒltig abzuklĂ€ren,
muss also ein direkter Vergleich dieser beiden Autoren bemĂŒht werden, wel-
cher zentrale Parallelen ihrer Àsthetischen Paradigmen klÀren sollte. Die
sicherlich deutlichste Ăhnlichkeit ist die verwandte Konzeption der Ă€stheti-
schen Wahrnehmung und des âSchönenâ. Die Kantâschen Attribute des reflek-
tierenden Geschmacksurteils sind hier besonders sprechend: 1. interesseloses
Wohlgefallen, 2. das, âwas ohne Begriff allgemein gefĂ€lltâ, 3. âZweckmĂ€Ăig-
keit ohne Zweckâ und 4. das, âwas ohne Begriff als Gegenstand eines notwen-
digen Wohlgefallens erkannt wirdâ.956 Ohne Kants sorgfĂ€ltige Separation der
Ă€sthetischen Beurteilung vom âAngenehmenâ und âMoralischenâ ausdrĂŒcklich
aufzugreifen â der letzte Punkt der subjektiven UniversalitĂ€t des reflektie-
renden Geschmacksurteils, der fĂŒr Kants These zum sensus communis essentiell
ist (§20 und §40), ist fĂŒr Hanslick komplett belanglos â, definiert Hanslicks
VMS-Traktat die Ă€sthetische Schönheit vergleichbar: âDas Schöne hat ĂŒber-
haupt keinen Zweck, denn es ist bloĂe Form, welche zwar nach dem Inhalt,
mit dem sie erfĂŒllt wird, zu den verschiedensten Zwecken verwandt werden
954 FĂŒr einen dichten Ăberblick vergleiche neuerlich: Sauer, âKritikâ (wie Anm. 44); ders.,
âVerhinderte Kanttraditionâ (wie Anm.Â
92); Feichtinger, Reflexives Projekt (wie Anm.Â
43),
S. 151â161. Siehe dazu auch: Wilfing, âPhilosophieâ (wie Anm. 43); âKant-Rezeptionâ
(wie Anm. 43); âKant-Zensurâ (wie Anm. 43).
955 Hanslick/Payzant, Musically Beautiful (wie Anm. 31), S. XVI.
956 FĂŒr die vier Punkte vergleiche prinzipiell: Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm.Â
40), S.Â
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(§5, A211), 70 (§9, A219), 93 (§17, A236), 99 (§22, A240).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423