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4.2. Hanslick als Feindbild: Bell, Schenker und die ‚New Musicology‘
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wie Kofi Agawu zeigte1110 – sich aber lediglich teilweise etablierte, ungeach-
tet Kramers Meinung noch nicht „more or less normative“ beschaffen war1111
und rezente Autoren sie als ein quasi schon historisches Phänomen, als „histo-
rical moment already passed“ sehen,1112 hat sie zur produktiven Verbreitung
demnach weiterhin paradigmatische Gegenpositionen nötig. Letztere wurden
bereits in Kermans Arbeiten mit den pauschalen Begriffen von Positivismus
und Formalismus belegt, welche Calella als stereotype Einwände gegenüber
der klassischen ‚musicology‘ bezeichnete,1113 für die Hanslicks VMS-Traktat
als radikalste „formalistic doctrine“ das scheinbar adäquate Zeugnis darstel-
le.1114 Wenn Agawu korrekt betonte, dass beide Termini sowie deren komplexe
Geschichte als ein ‚straw target‘1115 „in the drive to inform about the limita-
tions of theory-based analysis“ gefasst werden müssen,1116 haben auch noch
Kramer, Leppert und McClary sie zur negativen Darstellung der ‚Old Musico-
logy‘ angewendet,1117 was von Beard und Gloag letztendlich kanonisiert wur-
de.1118 Die Rezeption Hanslicks, den man mit „formalist aesthetics“ assoziierte,
wurde daher von Agawu als direktes Ergebnis einer quasi phobischen Ableh-
nung des musikalischen Formalismus charakterisiert.1119 Auch wenn merkli-
che inhaltliche Differenzen zwischen einzelnen Vertretern der ‚New Musico-
logy‘ festgehalten werden sollten, hat sie ein uniformes Feindbild konstruiert
– die „ideology of autonomy“,1120 welche besage: „music is all syntax and no
semantics, or that music lacks denotative or referential power“ und die mit
„Hanslick’s much-quoted aphorism“ der ‚tonally moving forms‘ bestmöglich
1110 Kofi Agawu, „How We Got Out of Analysis, and How to Get Back in Again“, in MA
23/2–3 (2004), S. 267–286, hier S. 267–269.
1111 Kramer, Interpreting Music (wie Anm. 1062), S. 63.
1112 Hooper, Discourse of Musicology (wie Anm.Â
1056), S.Â
7. Vgl.: Fred Everett Maus, „What Was
Critical Musicology?“, in Radical Musicology 5 (2011). Zur ‚babylonischen‘ Sprachverwir-
rung der gegenwärtigen Musikwissenschaft siehe etwa auch: Kevin Korsyn, Decentering
Music: A Critique of Contemporary Musical Research, Oxford 2003, Kap. 1.
1113 Calella, „Was übrig bleibt“ (wie Anm. 815), S. 84.
1114 Subotnik, „Challenge of Music“ (wie Anm. 272), S. 277.
1115 Jim Samson, „Analysis in Context“, in Rethinking Music, hrsg. von Nicholas Cook und
Mark Everist, Oxford/New York 1999, S. 35–54, hier S. 54; Williams, Constructing
Musicology (wie Anm. 206), S. 5; Hooper, Discourse of Musicology (wie Anm. 1056), S. 6, 14
und 30.
1116 Agawu, „Analyzing Music“ (wie Anm. 1042), S. 299.
1117 Kramer, „Future“ (wie Anm. 1042), S. 5; ders., Postmodern Knowledge (wie Anm. 1046),
S. XIV, 46; Richard Leppert und Susan McClary, Music and Society: The Politics of Compo-
sition, Performance, and Reception, Cambridge 1987, S. XII.
1118 Beard/Gloag, Musicology (wie Anm. 247), S. 137.
1119 Agawu, „How We Got Out“ (wie Anm. 1110), S. 283.
1120 Leppert/McClary, Music and Society (wie Anm. 1117), S. XIII, S. 9.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423