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4.3. Hanslick, der Formalist: adÀquate Kategorie oder leerer Begriff?
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lismus sowie seiner historischen Entwicklung erarbeiteten, der man aus stra-
tegischen BeweggrĂŒnden das Argument Hanslicks eingliederte. Das jetzige
Kapitel, das die Bestimmung des Formalismus auf den Punkt bringt, wird nun
die Eigenart von Hanslicks Hypothese genauer erörtern, welche nicht immer
durch derartige Interessen sowie deren narrative Funktion geleitet worden ist.
PrĂ€zise gesagt soll also eruiert werden, welche exakte Variante âdesâ Ă€stheti-
schen Formalismus Hanslick diskursiv beigelegt wurde und ob er mit einer
solch diffusen Kategorie pauschal erfasst werden kann. Zuvor mĂŒssen jedoch
mehrere Tendenzen geklĂ€rt werden, wie Hanslicks Leitspruch der âtönend be-
wegten Formenâ oder auch sein Begriff âFormâ generell gelesen wurden. Dass
hier eine Debatte vorliegt, die oft schlichte Dualismen benutzt â Form vs. Ge-
fĂŒhl, Form vs. Inhalt, Form vs. âWeltâ etc. â, belegte bereits HostinskĂœ, der
fĂŒr die eigene Epoche eine regelrechte âIdiosynkrasieâ im Hinblick auf das
Wort Form betont und hieraus schlieĂt: âWie den Materialisten, so dichtet man
auch den Formalisten nicht nur Indifferentismus, sondern auch offene Feind-
schaft, ja sogar Krieg bis aufâs Messer gegen alle höheren geistigen Interessen
an.â HostinskĂœ schreibt ferner: âSo ist denn das Wort âFormâ in der moder-
nen Aesthetik nachgerade etwas gar Furchtbares geworden, [âŠ] sozusagen der
leibhaftige Ă€sthetische Antichrist selbst.â1148 Dass diese allgemeine Einstellung
im 20. Jahrhundert weiterhin verbreitet war, zeigt Tschuliks ĂuĂerung, dass
Hanslicks VMS-Traktat oftmals verkĂŒrzt mit dem âSchreckenswort âformalis-
tischââ belegt werde.1149 Zuletzt soll noch Beinroths MusikĂ€sthetik zitiert wer-
den, welche neben Hanslick etwa auch Hegel vor dem fĂŒr ihn infamen Vor-
wurf âreinigteâ, âZugestĂ€ndnisse an die FormalĂ€sthetik gemacht zu habenâ,
wobei dessen Wortwahl illustriert, wie formale Ăsthetik von ihm generell be-
urteilt wurde: Hegel dĂŒrfe man nicht zum âBefĂŒrworter der FormalĂ€sthetik
[âŠ] degradierenâ, wohingegen Hanslick die formale Ăsthetik schlichtweg un-
terstellt sowie dessen Schrift als formalistische Grundlegung unpassend âde-
klassiertâ worden sei.1150
Welche Version âdesâ Ă€sthetischen Formalismus ist Hanslick nun tatsĂ€ch-
lich beigelegt worden? Die einfachste Erwiderung auf diese Frage wĂŒrde lau-
ten, dass Hanslicks VMS-Traktat ein formalistisches Schaffensmodell beim
eigentlichen Komponieren befĂŒrwortet hat, wie das Keiler fĂ€lschlich vermu-
tete (Kap. 4.2). Diese verzerrte Auslegung von Hanslicks Argument findet
sich aber meistens lediglich bei politischen Diskussionen ĂŒber eine formalis-
tische âDegenerationâ des jeweiligen Musiklebens, die von diversen Systemen
1148 HostinskĂœ, Musikalisch-Schöne (wie Anm. 114), S. 8f.
1149 Tschulik, âĂsthetik und Kritikâ (wie Anm. 21), S. 606.
1150 Beinroth, MusikÀsthetik (wie Anm. 375), S. 132 und 155.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423