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4.3. Hanslick, der Formalist: adÀquate Kategorie oder leerer Begriff?
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richtung der objektiven MusikÀsthetik zu, also wenn man die genannten Passa-
gen abwandelt: âfrom the viewpoint of aesthetic analysis, musical significance derives
primarily from internal compositional relationshipsâ bzw. âHanslickâs forma-
lism denies that emotions have anything to do with the objective aesthetic descrip-
tion of musicâ etc. Hanslicks Bekenntnis, dass auch fĂŒr ihn âder letzte Werth des
Schönenâ auf der âEvidenz des GefĂŒhlsâ beruhe (VMS, S.Â
10), kann hier neuer-
lich angefĂŒhrt werden, um zu belegen, wie die zitierten Lesarten seine Ă€stheti-
sche Perspektive ignorieren und zum generellen Musikbegriff ausdehnen. Hans-
licks VMS-Traktat vertritt jedoch keine reduktive Ontologie von âreinerâ Musik,
sondern vielmehr eine möglichst objektive Perspektive, welche andere Horizonte
der akademischen Musikforschung keinesfalls ausschlieĂt,1205 sondern ĂŒber-
haupt grundiert: âDadurch, daĂ wir auf musikalische Schönheit dringen, haben
wir den geistigen Gehalt nicht ausgeschlossen, sondern ihn vielmehr bedingtâ
(VMS, S. 77). Wenn Taruskin dies wohl auch niemals erkannte, ist Hanslicks
Argument mit dem skeptischen Ansatzpunkt der gegenwÀrtigen Musikwis-
senschaft folglich durchaus vereinbar: âaesthetic autonomy is not a property of
artworks, even the most abstract or transcendent of artworks, but rather a way
of viewing, describing, and valuating artworks.â1206
Die essentialistische Verabsolutierung von Hanslicks VMS-Traktat ist im
englischen Sprachraum aber auch von der langen Debatte ĂŒber eine allgemeine
Bestimmung des Begriffs âKunstâ gestĂ€rkt worden, die man um das Jahr 1950 als
fruchtlose BemĂŒhung einschĂ€tzte (Kap. 5.1).1207 Philosophen beurteilen Ă€sthe-
tische Programme hÀufig gemÀà der potentiellen Tauglichkeit als generelle
Definition von Kunst, die von Fall zu Fall als inadÀquat verworfen wird.1208 So
1205 Wie Hanslick ausdrĂŒcklich konstatierte: âEs ist nicht lange her, seit man angefangen hat,
Kunstwerke im Zusammenhang mit den Ideen und Ereignissen der Zeit zu betrachten,
welche sie erzeugte. Dieser unleugbare Zusammenhang besteht auch fĂŒr die Musik. Eine
Manifestation des menschlichen Geistes muĂ sie auch in Wechselbeziehung zu dessen
ĂŒbrigen ThĂ€tigkeiten stehen: zu den gleichzeitigen Schöpfungen der dichtenden und bil-
denden Kunst, den poetischen, socialen, wissenschaftlichen ZustÀnden ihrer Zeit, endlich
den individuellen Erlebnissen und Ueberzeugungen des Autors.â VMS, S. 92.
1206 Richard Taruskin, âIs There a Baby in the Bathwater?â, in AfMw 63/3â4 (2006), S. 163â
185, hier S.Â
171. Vgl.: Landerer/Zangwill, âMusical Essenceâ (wie Anm.Â
228), S.Â
492. Siehe
dazu auch Parkhurst, âMaking a Virtueâ (wie Anm. 777), S. 73â80, der bei Hanslick und
Schenker einzig einen âmethodologicalâ Organizismus sah.
1207 Siehe hierzu primĂ€r: LĂŒdeking, Analytische Philosophie (wie Anm. 6), S. 17â93 und die
zentralen Arbeiten: Paul Ziff, âThe Task of Defining a Work of Artâ, in Philosophical
Review 62/1 (1953), S. 58â78; W. B. Gallie, âArt as an Essentially Contested Conceptâ, in
PQ 6 (1956), S. 97â114; Morris Weitz, âThe Role of Theory in Aestheticsâ, in JAC 15/1
(1956), S. 27â35; W. E. Kennick, âDoes Traditional Aesthetics Rest on a Mistake?â, in
Mind 67 (1958), S. 317â334.
1208 FĂŒr den analytischen Kunstbegriff siehe vor allem Stephen Davies, Definitions of Art,
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423