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4.3. Hanslick, der Formalist: adÀquate Kategorie oder leerer Begriff?
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Die gerade zitierte Wendung zeigt aber auch, dass Hanslicks VMS-Traktat
mit externen Konzepten âdesâ Ă€sthetischen Formalismus konfrontiert wurde,
welche jeweils bestimmen, inwieweit Hanslicks Argument als formal gelten
sollte. Hamiltons ErklĂ€rung legt nahe, dass eine abstrakte Definition âdesâ Ă€s-
thetischen Formalismus eine âunoccupied classificationâ reprĂ€sentiert,1215 die
mehr vom derzeitigen Fachdiskurs als von âformalistischenâ Ăsthetiktraktaten
abhÀngt. Eggers hat das ebenfalls registriert und die inhaltliche FlexibilitÀt der
Bezeichnung âFormalismusâ mit folgender Anmerkung kritisiert: âDieser Be-
griff wird meines Erachtens vor allem deswegen so gerne eingesetzt, weil er
so wenig greifbar ist.â1216 Auch Franz von Kutschera hat die Heuristik dieses
Begriffes, der ein âFeindbildâ ausmache, prinzipiell hinterfragt, da man nur
schwer sagen könne, worin selbiger wirklich bestehe: âman findet kaum Auto-
ren, die sich selbst als âFormalistenâ bezeichnen, und bei denen, die von anderen
so genannt werden, finden sich keine klaren Thesen.â1217 Bei ihm kommt je-
doch auch eine typische Strategie der Àsthetischen Klassifikation zum Tragen,
da er spĂ€ter betont, dass man fĂŒr die Bestimmung âdesâ Formalismus nicht wis-
sen mĂŒsse, âwer sie vertreten hat, ja ob sie ĂŒberhaupt irgend jemand vertreten
hatâ, und gelĂ€ufige Beispiele aus der analytischen Philosophie (Bell, Fry, Hans-
lick) nennt.1218 Dass eine stimmige Definition âdesâ Ă€sthetischen Formalismus
sehr vage sein muss, um Hanslick, Gurney, Kant, Bell, Fry etc. gleichermaĂen
einzuschlieĂen, bestĂ€tigt ebenfalls Rafael de Clercq: âAlthough it is difficult to
state precisely what formalism consists of in general, formalists share the idea
that the class of aesthetically relevant properties of a work of art is smaller or
more homogeneous than the class of properties one might be inclined to con-
sider.â1219 Allen Beever belegt ferner, dass Formalisten diese Unklarheit ebenso
genutzt haben, da er aus der zutreffenden Beobachtung, dass auch Emotivisten
den RĂŒckbezug auf Musikstruktur nötig haben, den Sieg âdesâ Formalismus
proklamiert, was ein ânon sequiturâ darstellt.1220 Zuletzt soll noch Larry Shiner
zitiert werden, der ebenfalls kenntlich macht, dass eine nebulöse ErklÀrung
âdesâ Ă€sthetischen Formalismus dafĂŒr sorgt, disparate Konzepte als uniforme
Methodik mit identischen GrundsÀtzen aufzufassen:
As a theory of art, formalism was already implicit in Kantâs and Schillerâs call
for the disinterested contemplation of form, and in the 1850s, Eduard Hanslick
1215 Ebda., S. 87f. Dies wird noch genauer erörtert.
1216 Eggers, Ludwig Wittgenstein (wie Anm. 237), S. 211.
1217 Kutschera, Ăsthetik (wie Anm. 724), S. 172.
1218 Ebda., S. 176 und 478. Zu Bells Lehre vgl.: ebda., S. 172â176.
1219 Clercq, âAesthetic Propertiesâ (wie Anm. 437), S. 145.
1220 Allan Beever, âFormalism in Music and Lawâ, in UTLJ 61/2 (2011), S. 213â239.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423