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5.1. Was ist analytische Musikästhetik? – Bestimmung, Entwicklung, Methodik
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bedeutende Konzeption der analytischen Kunsttheorie vorwegnahm und als Teil
der Debatte zum Wesen der Kunst gelesen werden konnte.
Die analytische Kunsttheorie war aber eine sprachkritische Konzeptanalyse,
die allgemeine ästhetische Kategorien wie die Eigenart der ‚aesthetic attitude‘1343
oder auch die genaue Anzahl und spezifische Verfasstheit von ‚aesthetic proper-
ties‘ klären wollte.1344 Diese abstrakte Methodik war um das Jahr 1950 derart
üblich, dass man den Terminus ‚Ästhetik‘ mit der theoretischen Untersuchung
der ästhetischen Erfahrung gleichsetzte, wie Doningtons Bemerkung im Grove
aus dem Jahr 1954 ausdrücklich herausstrich: „The term should stand for the the-
ory of perception, but in fact it now means the theory of artistic experience.“1345
Wenn John Searle die allgemeine analytische Methodologie als „second-order
discipline“ beschrieb,1346 ist die anglophone Kunsttheorie für Lambert Wiesing
eine eigentliche Metaästhetik, die als konzeptionelle Durchleuchtung von ästhe-
tischer Terminologie gefasst werden müsste und sich (noch) nicht dem einzelnen
Kunstwerk zuwandte,1347 was Shustermans Selbstreflexion ebenfalls bestätigt,
der die anglophone Kunsttheorie als „discipline engaged in the clarification and
critical refinement of the concepts of art and art criticism“ verstand.1348 Dies
kann mit der verbreiteten Benennung von analytischen Monographien aus den
1960er Jahren belegt werden,1349 die im Titel häufig einen Verweis auf Sprache
1343 Siehe dafür die öffentliche Diskussion von Beardsley und Dickie, die mit Beardsley,
Problems in Criticism (wie Anm. 1245), anhob und auf die Dickie mit „The Myth of the
Aesthetic Attitude“, in APQ 1/1 (1964), S. 56–65 und „Beardsley’s Phantom Aesthetic
Experience“, in JoP 62 (1965), S. 129–136, reagierte. Beide Texte wurden anhand von
Beardsley, „Aesthetic Experience Regained“, in JAC 28/1 (1969), S. 3–11 und The Possibi-
lity of Criticism, Detroit 1970, neuerlich diskutiert. Mit Dickies Aufsatz „Beardsley’s
Theory of Aesthetic Experience“, in JAE 8/2 (1974), S. 13–23, endet die direkte Debatte.
Vgl.: Gary Iseminger, „Aesthetic Experience“, in Levinson, Handbook of Aesthetics (wie
Anm. 384), S. 99–116.
1344 Siehe hierzu primär Sibleys Aufsatz „Aesthetic Concepts“, in TPR 68/4 (1959), S.Â
421–450,
sowie seine zahlreichen Nachdrucke, welche dessen Bedeutung für die analytische Kunst-
theorie nachweisen. Zum Streit zur exakten Anzahl von ‚aesthetic properties‘, der von
Frank Sibley und Monroe Beardsley geführt wurde, siehe etwa auch: George Dickie,
„Beardsley, Sibley, and Critical Principles“, in JAC 46/2 (1987), S. 229–237. Vgl.: Colin
Lyas, „Sibley“, in Gaut/Lopes, Routledge Aesthetics (wie Anm.Â
384), S.Â
131–141; Nick Zang-
will, „The Beautiful, the Dainty, and the Dumpy“, in BJA 35/4 (1995), S.Â
317–329; Jerrold
Levinson und Derek Matravers, „Aesthetic Properties“, in PAS 79 (2005), S. 191–227.
1345 Robert Donington, „Aesthetics“, in Grove 1954 (wie Anm.Â
183), Bd.Â
1, S.Â
64–65, hier S.Â
64.
Vgl.: Hospers, Meaning and Truth (wie Anm. 685), Kap. 1.
1346 Searle, „United States“ (wie Anm. 1298), S. 6.
1347 Wiesing, Sichtbarkeit des Bildes (wie Anm.Â
713), S.Â
27–30. Vgl.: Andrew Bowie, „Was heißt
‚Philosophie der Musik‘?“, in MK 11 (2007), S. 5–18.
1348 Shusterman, „Analytic Aesthetics“ (wie Anm. 1305), S. 118. Vgl.: Beardsley, Problems in
Criticism (wie Anm. 1245), S. 3–7.
1349 Kivy, „Aesthetics Today“ (wie Anm. 1326), S. 2.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423