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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
280 One way of putting the point that emotions must have a cognitive component
– that they cannot be simply feelings or physiological processes, or even ‚mind-
less‘ bits of behavior – is to insist that they have intentionality. ‚Intentionality‘ is
a technical notion, but its common-sense meaning can be captured by the idea
that emotions are always ‚about‘ something or other. One is always angry about
something; one is always in love with someone or something (even if one is also
‚in love with love‘); one is always afraid of something (even if one doesn’t know
what it is). Thus we can understand the ‚formal object‘ of an emotion as its es-
sential intentionality – the kind of object (event, person, state of affairs) to
which it must be directed if it is to be that emotion.1429
Wenn eine kognitive Bedingung von definitiven Emotionen akzeptiert wird,
die für ihr fühlbares Auftreten und die bewusste Erfahrung also eine gedankli-
che Komponente nötig haben, greift sofort Hanslicks Argument, das bestimmte
Emotionen als Inhalt von Musik theoretisch ausschließt. Insofern erstaunt, dass
‚deutsche‘ Forscher die Folgen von Hanslicks Hypothese sehr lang übersahen
oder doch zumindest nachrangig behandelten, was vor allem dessen früheste
Kritiker betrifft, wobei Bischoff1430 und Wallaschek1431 als Ausnahmen genannt
werden müssen, die die Bedeutung dieses Arguments erfasst haben. Dieses wird
auch von Franz Brendel eingehend besprochen, einige Seiten später jedoch erneut
komplett verdrängt, wenn Brendel schreibt, dass „sehr verschiedene Vorstellun-
gen dasselbe Gefühl zur Begleitung haben können“. Dieses Gefühl könnte jedoch
trotzdem keineswegs verwechselt werden, da es egal wäre, ob „die Sehnsucht
nach dem Meere oder nach der Schweiz gerichtet ist […]. Die Sehnsucht an sich
aber wird in dem Tonstück […] so bestimmt ausgesprochen sein, daß man sie
durchaus nicht z.B. mit einem Zornesausbruch verwechseln kann.“1432 Hanslicks
Argument bestand jedoch genau darin, dass eine abstrakte Sehnsucht schlicht nie-
mals auftritt, da sie von Objekten, Zuständen, Situationen notwendig abhängig
John Deigh, „Cognitivism in the Theory of Emotions“, in Ethics 104/4 (1994), S.Â
824–854;
Peter Goldie, The Emotions: A Philosophical Exploration, Oxford 2000; Robinson, Deeper
Reason (wie Anm. 1283), Part 1; Deigh, „Concepts of Emotions“ (wie Anm. 1398); John-
son, „Emotion“ (wie Anm. 1403).
1429 Solomon, „Emotions“ (wie Anm. 1419), S. 12. Zur kognitivistischen Gefühlskonzeption
vergleiche ausführlich: Robert C. Solomon, The Passions: Emotions and the Meaning of Life,
Indianapolis 1976; William Lyons, Emotion, Cambridge 1980; Ronald de Sousa, The
Ra tionality of Emotion, Cambridge, Mass./London 1987; Gordon, Structure of Emotions (wie
Anm.Â
1413); Martha C. Nussbaum, Upheavals of Thought: The Intelligence of Emotions, Cam-
bridge 2001.
1430 Bischoff, „Eduard Hanslick“ (wie Anm. 412), S. 58.
1431 Wallaschek, Tonkunst (wie Anm. 100), S. 144.
1432 Franz Brendel, „Dr. Eduard Hanslick. Vom Musikalisch-Schönen. Ein Beitrag zur Revi-
sion der Aesthetik der Tonkunst“, in NZfM 42 (1855), S. 77–82, 89–91 und 97–100, hier
S. 78 und 90.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423