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5.2. Musik, GefĂŒhl, Gedanke â das kognitivistische Emotionskonzept
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GefĂŒhl und Musik grundsĂ€tzlich nachweisbar und welches Quantum dieser
affektiven Reaktionen tatsÀchlich Àsthetisch ist (VMS, S. 111). Die erste Frage
wird dahingehend problematisiert, dass jene physiologischen, psychologischen
und neurologischen ZusammenhÀnge, die als emotionale Konsequenz aus dem
akustischen Höreindruck hervorgehen, bis dato noch nicht genĂŒgend erforscht
sind â was auf die moderne Forschung weiterhin bedingt zutrifft1521 â, sodass
daraus keine direkten SchlĂŒsse auf musikalische ExpressivitĂ€t gezogen werden
können (VMS, S. 113â124). Damit wird auch Frage 2 unmittelbar thematisiert
und die Reaktion des Zuhörers mit der physischen Einwirkung des akustischen
Ereignisses legitimiert, die Hanslick als âelementarischâ charakterisiert (VMS,
S. 127â129). Da ein Ă€sthetisches Hörerlebnis jedoch immer primĂ€r geistiges
GenieĂen sein muss, kann der körperlich begrĂŒndete Musikeffekt als objektive
Grundlage der Ăsthetik von Hanslick schlieĂlich entkrĂ€ftet werden: âWeit sei
es von uns, die Rechte des GefĂŒhls an die Musik verkĂŒrzen zu wollen.â Dieses
GefĂŒhl ist aber erst dann wirklich relevant, wenn âes sich seiner Ă€sthetischen
Herkunft bewuĂt bleibt, d.h. der Freude an einem und zwar gerade diesem
bestimmten Schönenâ (VMS, S.Â
127). Den Fokus der Àsthetischen Hörerfahrung
muss also eine musikalische Komposition, nicht deren emotionale Perzeption
ausmachen, die als Ausstrahlen der Anschauung von Hanslick akzeptiert, aber
zugleich nivelliert wird:
Die Zahl derer, welche auf solche Art Musik hören oder eigentlich fĂŒhlen, ist
sehr bedeutend. Indem sie das Elementarische der Musik in passiver EmpfÀng-
lichkeit auf sich wirken lassen, gerathen sie in eine vage, nur durch den Charak-
ter des TonstĂŒcks bestimmte ĂŒbersinnlich-sinnliche Erregung. Ihr Verhalten
gegen die Musik ist nicht anschauend, sondern pathologisch: ein stetes DĂ€mmern,
FĂŒhlen, SchwĂ€rmen, ein Hangen und Bangen in klingendem Nichts. Lassen wir
an dem GefĂŒhlsmusiker mehrere TonstĂŒcke gleichen, etwa rauschend fröhli-
chen Charakters vorbeiziehen, so wird er in dem Banne desselben Eindrucks
verbleiben. Nur was diesen StĂŒcken gleichartig ist, also die Bewegung des rau-
schend Fröhlichen assimilirt sich seinem FĂŒhlen, wĂ€hrend das Besondere jeder
Tondichtung, das kĂŒnstlerisch Individuelle seiner Auffassung entschwindet
(VMS, S. 128).1522
1521 Die âmusical contagionâ in Daviesâ Theorie, die von ihm der empirischen Psychologie
zugeschoben wurde, wird auch dort als weiterhin ungelöst betrachtet. Vgl.: Juslin,
âEmotional Responsesâ (wie Anm. 1421), S. 136; Juslin/Sloboda, âPast, Present, Futureâ
(wie Anm. 1466), S. 942. Siehe dazu auch schon: Kivy, Sound Sentiment (wie Anm. 414),
S. 212.
1522 Wie etwa auch Theodore Gracyk betont: âEduard Hanslick appears to have been on the
right track: if expression is elemental in music, it will be the same thing, over and over,
and it will not sustain the aesthetic interest of more informed listeners.â On Music (wie
Anm. 968), S. 95. Vgl.: Payzant, ââMoralâ Effectsâ (wie Anm. 455), S. 89 und Kap. 3.4.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423