Seite - 310 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Bild der Seite - 310 -
Text der Seite - 310 -
5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
310
muĂ der Musik innewohnen, wie der Duft der Rose, aber es liegt ihr nicht auf,
wie die Maske dem Schauspielerâ (VMS, S. 10). Wenn dies auch die fassbarste
Andeutung von Hanslicks âenhanced formalismâ ist, die im englischen Sprach-
raum angesichts genannter Bedingung unbekannt bleiben musste, finden sich
auch andere Stellen, die in die gleiche Richtung weisen. In jeder seiner Auflagen
spricht Hanslick davon, dass âreineâ Musik als âSchöpfung eines denkenden und
fĂŒhlenden Geistes [âŠ] in hohem Grade die FĂ€higkeitâ haben wĂŒrde âselbst geist-
und gefĂŒhlvoll zu seinâ (VMS, S. 80). Diesen Gehalt, der Denken und FĂŒhlen
zugleich umfasst, âwerden wir in jedem musikalischen Kunstwerk fordern, doch
darf er in kein andres Moment desselben verlegt werden, als in die Tonbildungen
selbstâ (VMS, S. 80). Er ist der Musik demnach inhĂ€rent: âUnsre Ansicht ĂŒber
den Sitz des besondren Geistes und GefĂŒhls [ab VMS ÂČ1858 âSitz des Geistes und
GefĂŒhlsâ] einer Composition verhĂ€lt sich zu der gewöhnlichen Meinung, wie die
Begriffe Immanenz und Transcendenzâ (VMS, S. 80).
Gleich darauf wird abermals deutlich gemacht, dass Hanslick vor allem einen
reprĂ€sentativen Zusammenhang von GefĂŒhl und Musik ablehnend betrachtet,
da er durchweg zugesteht, dass auch âreineâ Musik mit affektiven AusdrĂŒcken
geschildert werden könnte (âstolz, miĂmĂŒthig, zĂ€rtlich, beherzt, sehnendâ).
Hanslick erlĂ€utert diese erstaunliche Konzession wie folgt: Obwohl GefĂŒhle âzur
Bezeichnung musikalischen Charakterâs nur PhĂ€nomene wie andreâ seien, kön-
nen â[d]erlei Epithetaâ im âBewuĂtsein ihrer Bildlichkeitâ durchaus gebraucht
werden, âja man kann ihrer nicht entrathen, nur hĂŒte man sich zu sagen, diese
Musik schildert Stolz u.s.f.â (VMS, S. 81). Angesichts dermaĂen evidenter Aus-
sagen erscheint es seltsam, dass âtraditionelle Formalistenâ â nach Kivy â âalways
[have] been associated with the denial that music can be described in emotive
termsâ,1592 da Hanslicks Hypothese nur die interpersonelle Verbindlichkeit und
szientifische âNĂŒtzlichkeitâ von emotiven Metaphern abstreitet.1593 Musikalische
ExpressivitÀt kann aber nach Hanslicks Hypothese auch eine immanente Eigen-
schaft sein, die affektive ZustĂ€nde niemals abbildet, sondern verkörpert: Die âlei-
denschaftliche Einwirkung eines Themaâsâ lĂ€ge eben ânicht in dem vermeintlich
ĂŒbermĂ€Ăigen Schmerz des Componisten, sondern in dessen ĂŒbermĂ€Ăigen Inter-
vallen, nicht in dem Zittern seiner Seele, sondern im Tremolo der Pauken, nicht
in seiner Sehnsucht, sondern in der Chromatikâ (VMS, S. 82f.).1594 Hanslick
1592 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 88.
1593 Payzant, âProduct of Feelingâ (wie Anm. 743), S. 133.
1594 Vergleiche wesentlich detaillierter: âDer bestimmte Eindruck, mit welchem eine Melo-
die Macht ĂŒber uns gewinnt, ist [âŠ] unausbleibliche Consequenz der musikalischen
Faktoren, welche in dieser bestimmten Verbindung wirken. Ein knapper oder weiter
Rhythmus, diatonische oder chromatische Fortschreitung, â Alles hat seine charakteris-
tische Physiognomie und besondre Art uns anzusprechen; so daĂ es dem gebildeten Musi-
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423