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5.3. Enhanced Formalism â Hanslick, Davies, Kivy und die Kontur-Theorie
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hat, wie bereits gezeigt, durchweg anerkannt, dass emotionale Erregungen des
begeisterten Komponisten von dem gegebenen Kunstwerk âaufgesogenâ werden
können, diese dann aber ânur mehr als musikalische Bestimmtheit, als Charakter
des StĂŒcksâ gelten wĂŒrden. Denn insofern bereits einzelne Elemente eine emo-
tionale Charakteristik innehaben, âwerden vorherrschende CharakterzĂŒge der
Componisten: SentimentalitĂ€t, Energie, Nettigkeit [ab VMS 61881 statt âNettig-
keitâ dann âHeiterkeit u.s.w.â] sich durch die consequente Bevorzugung gewisser
Tonarten, Rhythmen, UebergÀnge recht wohl nach den allgemeinen Momenten
abdrĂŒcken, welche die Musik wiederzugeben fĂ€hig istâ (VMS, S. 106). Zuletzt
sollen erneut Hanslicks EinwÀnde zur gelÀufigen Ausdrucks-Hypothese ange-
fĂŒhrt werden, die durch meine Lesart von Hanslicks âenhanced formalismâ eine
verÀnderte Bedeutung gewinnen:
Nicht das thatsĂ€chliche GefĂŒhl des Componisten, als eine blos subjective Affec-
tion, ist es, was die gleiche Stimmung in den Hörern wachruft. RÀumt man der
Musik solchâ eine zwingende Macht ein, so anerkennt man dadurch etwas Ob-
jectives in ihr, denn nur dieses zwingt in allem Schönen. Dies Objective sind hier
die musikalischen Bestimmtheiten eines TonstĂŒcks. Streng Ă€sthetisch können wir
von irgend einem Thema sagen: es klinge stolz oder trĂŒbe, nicht aber: es sei Aus-
druck der stolzen oder trĂŒben GefĂŒhle des Componisten (VMS, S. 107).
Anhand dieser Passagen, die die Kontur-Theorie stellenweise antizipieren,
kann also auch bei Hanslick eine Tendenz zum âenhanced formalismâ in Kivys
Sinne eruiert werden. Abegg erfasste folglich zu Recht, dass âreineâ Musik fĂŒr
Hanslick die TrĂ€gerin von GefĂŒhlen sei und expressive Parameter einschlieĂe,
die immanent konzipiert werden,1595 womit Hanslick als ein ânon-referenti-
al expressionistâ kategorisiert werden könnte.1596 Stephen Benson sprach da-
her von Kivy als âlatter-day Hanslickâ,1597 wĂ€hrend Matthew Pritchard die
âneo-Hanslickian propositionsâ des âenhanced formalismâ ebenfalls erwĂ€hnte
und kritisch aufwarf, ob die analytische Kunsttheorie ĂŒberhaupt âgenuinely
new insightâ eröffne.1598 Ich will hier aber keinesfalls behaupten, dass Hanslicks
ker eine ungleich deutlichere Vorstellung von dem Ausdruck eines ihm fremden Ton-
stĂŒcks gibt, daĂ z.B. zu viel verminderte Septaccorde und Tremolo darin seien, als die
poetischeste Schilderung der GefĂŒhlskrisen, welche der Referent dabei durchgemacht.â
VMS, S. 83.
1595 Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm.Â
41), S.Â
59. Siehe hierzu bereits: SchÀfke, Eduard Hanslick
(wie Anm. 21), S. 20.
1596 Treitler, âMozart and Musicâ (wie Anm.Â
775), S.Â
435; Rothfarb, âAnalytical Alternativesâ
(wie Anm. 254), S. 55; Nattiez, âHanslick: Immanenceâ (wie Anm. 957), S. 106.
1597 Stephen Benson, âFairy-Tale Opera and the Crossed Desires of Words and Musicâ, in
CMR 29/2 (2010), S. 171â182, hier S. 181.
1598 Pritchard, ââRethinking Hanslickââ (wie Anm. 156), S. 351.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423