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5.3. Enhanced Formalism â Hanslick, Davies, Kivy und die Kontur-Theorie
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from Hanslickâ begriffen wurde, welche mit dem von Hanslick vermeintlich
ĂŒbersehenen âPossessionâ-Blickwinkel ergĂ€nzt werden musste, was Davies zur
gĂ€nzlichen Ăbernahme von Kivys Lesart fĂŒhrt.1602 Dass Hanslicks Hypothese
eines inhĂ€renten âenhanced formalismâ von diesen beiden Autoren schlichtweg
missachtet wurde,1603 kann also auch mit der ĂŒbertriebenen Interpretation der
Hanslickâschen âFormalĂ€sthetikâ erklĂ€rt werden, die Hanslick zu Unrecht eine
rigorose Position attestiert. Besonders prĂ€gnant wird ihre ĂŒbersteigerte Text-
deutung bei Hanslicks Argument zur begrenzten Autonomie von Musik und
Text, die dadurch bezeugt wird, dass man ein und dasselbe MusikstĂŒck mit
divergenten Dichtungen in Verbindung bringen könnte, ohne seine Àsthetische
Schönheit aufzuheben (Kap.Â
2.3). Obwohl Hanslick nur die UnschÀrfe von lite-
rarisch fundierter ExpressivitÀt diagnostiziert, da musikalische Dynamismen
ohne eine textliche Lenkung auf diverse GefĂŒhle passen können, wird dies von
Kivy als âidea that any music is suitable to any expressive textâ verstanden.1604
Hanslick hat aber nur allgemein behauptet: âMan wird z.B. in einer sehr wirk-
samen dramatischen Melodie, welche Zorn auszudrĂŒcken hat, an und fĂŒr sich
keinen weiteren psychischen Ausdruck finden, als den einer raschen, leiden-
schaftlichen Bewegung. Worte einer leidenschaftlich bewegten Liebe, also das
gerade Gegentheil, werden vielleicht gleich richtig durch dieselbe Melodie
interpretirt seinâ (VMS ÂČ1858, S. 55).
Auf Hanslicks Hypothese zur lediglich bedingten Autonomie von Musik
und Text, welche dieses intrikate VerhÀltnis nicht rundweg beliebig auffasst,
folgt dann auch eine zentrale Passage, welche seinen Ansatz endgĂŒltig klarstellt:
âDie ausdrucksvollsten Gesangsstellen werden, losgelöst von ihrem Text uns
höchstens rathen lassen, welches GefĂŒhl sie ausdrĂŒcken. Sie gleichen Silhouet-
ten, deren Original wir meistens erst erkennen, wenn man uns gesagt hat, wer
das seiâ (VMS, S. 57f.). Hanslicks Gleichnis erhellt prompt, dass Kivys Lesart
keinesfalls zutreffend ist: Wenngleich Silhouetten keine verifizierbare Identi-
fikation des schattenhaft Dargestellten ermöglichen, ist doch klar, dass nicht
jeder willkĂŒrliche Gegenstand als angemessene Interpretation einer gegebenen
Silhouette in Frage kommt. Runde Silhouetten können folglich verschiedene
1602 Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), S. 204 und 221.
1603 Rinderle, der mit den Thesen von Davies und Kivy bestens vertraut war, hat den partiel-
len âenhanced formalismâ bei Hanslick ebenfalls ĂŒbersehen: Rinderle, âTheorienâ (wie
Anm. 1286), S. 215. Erst Kivys Notiz der Rosen-Analogie fĂŒhrt dazu, dass von ihm eine
betreffende Orientierung zumindest angedacht wurde, wobei auch hier die essentielle
ErgÀnzung der zweiten Auflage aus dem Jahr 1858 nirgends genannt wird: ders., Expres-
sivitÀt (wie Anm. 674), S. 95.
1604 Kivy, Ancient Quarrel (wie Anm. 5), S. 9. Vgl.: Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450),
S. 206; Zehentreiter, MusikÀsthetik (wie Anm. 729), S. 83.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423