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5.3. Enhanced Formalism â Hanslick, Davies, Kivy und die Kontur-Theorie
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keinesfalls zwingend verbunden seien,1631 diese sich also nicht wechselseitig
komplettieren, sondern logisch distinkt sind. Wenn Hanslicks Trennung von
Expression und Schönheit nicht zugleich bedeutet, dass Letztere historisch
indifferent sei (Kap.Â
2.1), hat die âVerschiedenheit der GefĂŒhlswirkungâ fĂŒr ihn
trotz allem wenig mit der âmusikalische[n] SchĂ€tzungâ von Mozarts Werken
gemein, deren Ă€sthetische QualitĂ€ten âfĂŒr sich nicht alterirtâ wurden: âDer
Zusammenhang musikalischer Werke mit gewissen Stimmungen besteht also
nicht immer, ĂŒberall nothwendig, als ein absolut Zwingendes, es ist vielmehr
unvergleichlich wandelbarer als in jeder andern Kunstâ (VMS 61881, S. 33).1632
Kurz darauf findet sich auch das wichtigste Argument Hanslicks, das vom
analytischen Musikdiskurs als âargument from disagreementâ aufgenommen
wurde und das eine experimentelle âFeldforschungâ zur fraglichen ObjektivitĂ€t
des Bezugs von GefĂŒhl und Musik rhetorisch vorschlĂ€gt. Hanslick ver mutet,
dass eine Umfrage zum emotionalen Affektgehalt eines gegebenen Musik-
stĂŒcks selbst unter kundigen Zuhörern zu erstaunlich differenten Ergebnissen
fĂŒhren mĂŒsste, womit die objektive GĂŒltigkeit von musikalischer ExpressivitĂ€t
ĂŒberaus fraglich scheint. Denn wenn wohl alle ĂŒber die Ă€sthetische âPerfektionâ
eines StĂŒcks einig wĂ€ren, wĂ€re sein Inhalt doch letztendlich unbestimmt: âWer
tritt hinzu und getraut sich, ein bestimmtes GefĂŒhl als Inhalt dieser Themen
aufzuzeigen? Der Eine wird âLiebeâ sagen. Möglich. Der Andere meint âSehn-
suchtâ. Vielleicht. Der Dritte fĂŒhlt âAndachtâ. Niemand kann das widerlegen.
Und so fort. HeiĂt dies nur [i.e. nun] ein bestimmtes GefĂŒhl darstellen, wenn
Niemand weiĂ, was eigentlich dargestellt wird?â (VMS, S. 51f.). Wie bereits
gezeigt, heiĂt dies aber nicht, dass musikalische ExpressivitĂ€t durchweg inexis-
tent wÀre, sondern lediglich, dass diese nicht definitiv gegeben ist, dass sie zwar
der Musik als strukturelle Eigenschaft innewohnt, aber eben nicht allgemein
verbindlich ist, da die Dynamik von GefĂŒhl und Musik fĂŒr die eindeutige
Zuordnung niemals genĂŒge: Diese sei ânur eine Eigenschaft, ein Moment des
GefĂŒhls, nicht dieses selbst. [âŠ] Nicht Liebe, sondern nur eine Bewegung kann
sie schildern, welche bei der Liebe, oder auch einem andern Affekt vorkommen
kann, immer jedoch das Unwesentliche seines Charakters istâ (VMS, S. 47).1633
1631 Cook, âMusical Meaningâ (wie Anm. 1135), S. 174.
1632 Hanslicks Argument und sein hier skizziertes Fallbeispiel finden sich auch bei Hospers,
âArtistic Expressionâ (wie Anm. 1510), S. 330f., wieder und konnten dadurch nachhaltig
fortwirken, da Hospersâ Aufsatz zur analytischen KernlektĂŒre zĂ€hlt.
1633 Dieser Gedanke findet sich etwa auch bei affektiven Deutungen von ganzen StĂŒcken,
exakter gesagt bei den SĂ€tzen der Sonate, die vermeintlich verschiedene âSeelenzu-
stĂ€ndeâ reprĂ€sentiere: âDie Deutung paĂt manchmal, öfter auch nicht, niemals mit
Nothwendigkeit. Dies aber wird immer mit Nothwendigkeit passen, daà vier TonsÀtze
zu einem Ganzen verbunden sind, welche nach musikalisch-Ă€sthetischen Gesetzen sich
abzuheben und zu steigern haben.â VMS, S. 88.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423