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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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Man kann demnach schlieĂen, dass Hanslick die musikalische ExpressivitĂ€t als
potentielle immanente Eigenschaft von âreinerâ Musik begriff, die ĂŒber eine kon-
gruente dynamische Disposition von GefĂŒhl und Musik möglich gemacht wird
und praktisch relevant ist, der bindenden Grundlage aber rundweg entbehrt, was
sie fĂŒr die Ă€sthetische Wissenschaft schlieĂlich untauglich macht. Wie anhand
von Schwinds GemÀlde zu Beethovens Chorfantasie op. 80 nochmals illustriert
wird: âwie der Maler Scenen und Gestalten aus den Tönen heraussieht, so legt
der Zuhörer GefĂŒhle und Ereignisse hinein. Beides hat damit einen gewissen
Zusammenhang, aber keinen nothwendigen, und nur mit diesem haben es wis-
senschaftliche Gesetze zu thunâ (VMS, S. 89).
Hanslicks Bedenken hinsichtlich der zwingenden ObjektivitÀt des Bezugs
von GefĂŒhl und Musik bauen somit auf parallelen Gedanken auf: 1. ist die
dynamische Komponente, die die assoziative Isomorphie ĂŒberhaupt begrĂŒn-
det, keinesfalls ausreichend, um diesem Thema dieses GefĂŒhl letztgĂŒltig beizu-
legen; 2. sei faktisch prĂŒfbar, dass eine emotivistische Beschreibung von ein
und demselben MusikstĂŒck selbst unter bewanderten Musikhörern ungleich
ausfalle, was die als notwendig betrachtete Verbindung von GefĂŒhl und Musik
prekĂ€r werden lĂ€sst. Da der âenhanced formalismâ ĂŒber eine perzipierte Ăhn-
lichkeit funktioniert, welche durch Animations-Tendenzen ĂŒberdies erreiche,
dass beim dynamischen Musikelement gerade mentale Prozesse als adÀquate
Parallele erkannt werden, ist der erste Punkt ĂŒberaus kritisch: âMusic no more
resembles the expression of emotion than it does many other things: the waves
of the ocean, the rise and fall of the stock market.â1634 Wie Goodman hervor-
hob, ist dies eine fundamentale Schwierigkeit von AnsÀtzen, die perzeptive
AffinitĂ€ten beinhalten, denn âalmost anything may stand for almost anything
elseâ,1635 was dann auch beim âenhanced formalismâ bemĂ€ngelt werden mĂŒsste:
âBy leaning on the idea that we can hear tension, satisfaction, and relaxation in
sound, and so perceive a resemblance to aspects of our feeling, it assumes the
very matter it was supposed to explain.â1636 Hinzu kommt, dass zwischen men-
1634 Matravers, âExpression and Emotionâ (wie Anm. 1482), S. 357. Kennick, Readings in Aes-
thetics (wie Anm. 844), S. 251 und Ă
hlberg, âEmotion in Musicâ (wie Anm. 400), S. 71,
haben dieses Problem bei Hanslick und Langer ebenso betont. Vgl.: Robinson, âMusic
and Emotionsâ (wie Anm. 1283), S. 397f.; Anthony Newcomb, âSound and Feelingâ, in
CI 10/4 (1984), S.Â
614â643, hier S.Â
618f.; Panaiotidi, âGefĂŒhl und Illusionâ (wie Anm.Â
1541),
S. 70.
1635 Goodman, Languages (wie Anm. 1352), S. 5.
1636 Boghossian, âMusic in Soundâ (wie Anm. 1460), S. 52. Vgl.: Budd, Music and Emotions
(wie Anm.Â
663), S.Â
34; Scruton, Aesthetics (wie Anm.Â
783), S.Â
147f.; Stecker, âMusical Emo-
tionâ (wie Anm. 1579), S. 274; Trivedi, âProperty of Musicâ (wie Anm. 1288), S. 412;
Appelqvist, âMusic Wineâ (wie Anm. 392), S. 20; Levinson, âHearability-as-expressionâ
(wie Anm. 1284), S. 103; Matravers, âExpressionâ (wie Anm. 1482), S. 624.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Titel
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Untertitel
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Autor
- Alexander Wilfing
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Abmessungen
- 16.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 434
- Schlagwörter
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423