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LOTHAR
HÖBELT24
Plan, der auf die Sabotage seiner Bestrebungen abzielte; auch „Berlin“ und
das Deutsche Reich wurden allerlei Umtriebe bezichtigt, die zweifellos un-
terhalb der Wahrnehmungsschwelle Bismarcks lagen. Insbesondere der
rasante Aufstieg jüdischer Familien in die wirtschaftliche und gesellschaft-
liche Elite des Landes war Belcredi aus ständischen wie konfessionellen Mo-
tiven ein Dorn im Auge, eine Abneigung, die auch Konversion und Nobilitie-
rung nicht zu besänftigen vermochten. Dieses Ressentiment fügte sich ein in
die Reihe seiner Feindbilder: Kapitalismus, Weltrevolution, Freimaurertum,
Judentum,48 war aber nicht Ausgangspunkt eines „-ismus“ oder politisches
Abgrenzungskriterium wie bei den Wiener Antisemiten, die – von der Lin-
ken kommend – auf diese Weise ihren Bruch mit den Liberalen rechtfertigen
mussten.
Bei aller Abneigung gegen ein Aufgehen in bürokratischer Routine war
Belcredi selbstverständlich doch nicht ganz frei von persönlichen Ambiti-
onen und Eitelkeiten. Schon 1853 schwärmte er davon, wenn seine Pläne
zur Zusammenfassung des Adels glückten, so „gehört die Leitung mir, weil
ich den Gedanken“ hatte.49 Die Kehrseite der Medaille war: „Wie gewöhn-
lich ruht alle Last auf mir.“ (Seit den frühen Sechzigerjahren legte er sich
deshalb auch einen Sekretär zu.)50 Graf Karl Seilern machte ihm einmal das
Kompliment: „Die ganze Adelspartei steht auf Deinen zwei Augen“ – ein
Lob, das ihn, wie er versicherte, „nicht eitel, aber traurig“ machte.51 Der Be-
griff der „Adelspartei“ war freilich mit einer gewissen Inkonsequenz verbun-
den: Wollte man die Kurie des landtäflichen Großgrundbesitzes, wie sie 1861
eingeführt worden war, oder auch nur ihre hochadeligen Mitglieder (die in
Mähren vergleichsweise zahlreicher waren als in jedem anderen Land der
westlichen Reichshälfte) zu einer einheitlichen Aktion zusammenfassen, so
war das nur auf der Grundlage der „Nebulosen“ möglich, der Mittelpartei,
die Belcredi verachtete, eben weil sie einer Entscheidung zwischen Links
und Rechts auswich.
Belcredi konnte im Hochadel Mährens auf eine Reihe treuer Anhänger
zählen: Von der älteren Generation ist hier in erster Linie Fürst Hugo Salm
(1803–1888) auf Raitz zu nennen (der 1870 auch als Landeshauptmann fun-
gierte, als die Konservativen kurz die Mehrheit erhielten, auch wenn er als
etwas verschroben galt52); dann Landgraf Josef Fürstenberg (1808–1892),
der Bruder des Olmützer Erzbischofs, mit dem Belcredi meist über den Dom-
48 Tb. 6.6.1883.
49 Tb. 2.1.1853.
50 Tb. Ende Oktober 1865, 17.12.1863.
51 Tb. 9.7.1873.
52 Vgl. den Brief Leo Thuns vom 13.3.1871.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115