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GRAF EGBERT BELCREDI – DER „ECHTE“ KONSERVATIVE 29
daran fest, dass es „leider nicht genügend nationale Adelige“71 in Mähren
gab, ja dass dieser Mangel die „bitterste Folge“ der Schlacht am Weißen Berg
darstelle, „deren Ausgang sonst ein Glück war“.72 Doch es finden sich jetzt
hin und wieder auch kritische Seitenhiebe auf die Nation, die man nicht zum
„Goldenen Kalb“ erheben dürfe, und über die Gefahren für das Verhältnis
von Deutschen und Slawen.73 Diese Haltung wurde begleitet von Zweifeln,
ob es nicht besser gewesen wäre, die Nationalpartei zu spalten und eine ei-
gene katholisch-konservative Partei ins Leben zu rufen.74 Gegen die städti-
sche Advokaten-Clique, der er immer weniger traute, setzte Belcredi jetzt
verstärkt auf eine „Bauern- und Grundbesitzerpartei“: Vielleicht, so über-
legte er, sei „die letzte Aufgabe meines öffentlichen Lebens die Reformation
und Restauration des Bauernstandes.“75
Belcredis Tagebuch belegt, wie sehr die Konservativen 1878/79 noch kei-
neswegs Aufwind verspürten, sondern der Verzweiflung nahe waren. Er zi-
tierte den Führer der Alttschechen, Franz Rieger, er könne den Widerstand
gegen die Reichsratsbeschickung höchstens noch ein Jahr aufrechterhalten.
Selbst Heinrich Clam und „Gox“ Lobkowitz hätten „den Glauben an unsere
Sache“ verloren.76 So kam 1879 zwar wiederum ein Schulterschluss der mäh-
rischen Abgeordneten mit den Böhmen zustande, doch auf der Basis der
mährischen Politik. Auch die böhmischen Konservativen und Alttschechen
traten in den Reichsrat ein, wenn auch unter Abgabe einer staatsrechtlichen
Verwahrung. Die Initiative dazu erfolgte „von oben“, vom Kaiser und von
seinem Ministerpräsidenten Graf Eduard Taaffe, der früher lange Zeit auch
in liberalen Ministerien gedient hatte – und als verfassungstreuer Kandidat
aufgetreten war.
Der Beginn dieser Ära Taaffe erfüllte Belcredi keineswegs mit Befriedi-
gung. Taaffe rang um eine Mehrheit auch in Mähren, indem er die Mittel-
partei zu neuem Leben erweckte. Diese Mittelpartei aber versuchte Belcredi
seine Wähler abspenstig zu machen. Den Böhmen zuliebe musste er gute
Miene zum bösen Spiel machen und zum Schluss nahezu darum betteln,
selbst als Kandidat in die Liste aufgenommen zu werden. Taaffe als Premier
aber lavierte noch ein, zwei Jahre als „Kaiserminister“, der vorgab, über den
Parteien zu stehen, und weiterhin Liberale als Minister oder Statthalter be-
rief. Die von Belcredi ersehnte Säuberung der Verwaltung von den Partei-
71 Tb. 25.8.1874.
72 Tb. 21.11.1878.
73 Tb. 27.4.1876, 28.9.1878.
74 Tb. 4.3.1879.
75 Tb. 23.5.1878, 21.12.1878.
76 Tb. 24.11.1878, 21.4.1879.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115