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LÖSCH, 17. FEBRUAR 1854 147
Durch ein engeres Einvernehmen mit G[ra]f Schlick steigt auch mein Ein-
fluss bei Lažanský, der dem Erstern sehr den Hof macht.
Oft ist es mir schon aufgefallen, welche Herrschaft ich ohne aller Absicht
oder Berechnung über andre Menschen übe. In allen Lebensverhältnissen
und mit den verschiedensten Menschen ist es mir so ergangen. Und so oft
ich darüber nachgedacht, nie fand ich eine Ursache, die ich an andern nicht
auch gefunden, doch ohne dass sie gleiche Wirkung tat. Eitel kann mich dies
nicht machen, denn es ist ein Etwas wie ein Talisman, ein Zauber, der nicht
durch mein Verdienst mir dienstbar ist; eher könnte der Glaube Wurzel fas-
sen, dass die Vorsehung bestimmte Zwecke durch mich verfolgt, dass ich ein
Werkzeug höherer Pläne bin!
Ist dies ein Wahn, ein Aberglaube, der Narren und Propheten macht? –
Überhaupt ist die Zeit noch nicht da, wo man für den Adel entscheidende
Schritte tun kann. Er ist zu schwach, zu zerfahren und zu demoralisiert in
seinen Individuen.
Nur wenige wissen, was sie wollen, und diese wenigen müssen vor allem
vermeiden, dass man es merkt, wie gering ihre Zahl ist. In verdeckter Auf-
stellung überschätzt man unsre Macht. Wollten wir einen entscheidenden
Stoß führen, so müssten wir sie entwickeln und dann zugleich ihre Schwäche
dem Feinde zeigen. Deshalb mit ungeübten Truppen nur vereinzelte kleine
Gefechte als Übung für den großen Krieg!
Lösch, 6. Februar 1854
Ich muss mich mehr den Leuten zeigen und durch persönliche unmittelbare
Beziehungen zu wirken trachten, sonst ist alles in den Wind gesprochen, und
die Leute lassen sich den Glauben nicht nehmen, dass ich hier mit der phry-
gischen Mütze auf dem Ohr und mit einer roten Fahne herumpromeniere.
Lösch, 17. Februar 1854
Es ist traurig, aber nicht uninteressant, mit welcher Verblendung der Adel
den zentralisierenden, gleichmachenden Bestrebungen der Bürokratie selbst
in die Hände arbeitet. Mögen die höchsten und reichsten Adelsgeschlechter,
nachdem sie den Sommer auf ihren Gütern verlebt, immerhin im Winter den
Hof umgeben und Wien zu ihrem Aufenthalt wählen. Ich betrachte dies als
natürlich und für den Stand, der sich an höchster Stelle durch sie vertreten
lässt, sogar für vorteilhaft. Die größere Masse des Adels aber wird nur dann
die ihr gebührende Macht und das Ansehen bewahren, wenn sie den Quel-
len und den Bedingungen, welche ihr diese verleihen, möglichst nahe bleibt.
Diese größere Zahl des Adels muss daher in der Provinz, auf den Gütern
oder in der Provinzialhauptstadt leben. Dies scheint mir durch das nächste
und wichtigste Interesse, jenes der Selbsterhaltung geboten!
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115