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INGROWITZ, 6. AUGUST 1864 239
Ingrowitz, 6. August 1864
Am 3. [August] in Brünn der Zent[rala]usschusssitzung der k. k. [Acker-
baug]esellschaft beigewohnt. Über Verleihung von Stipendien an Schüler
von Ackerbauschulen, Gründung eines landw[irtschaftlichen] Vereins in
Weiskirchen usw. referiert.
Am 2. und 3. [August] noch Briefe von Fritz Thun497 und Prälat Schirek
von Neu-Rei[s]ch erhalten. Dem Letzteren auf Anfragen in Gemeindesachen
noch von Lösch aus geantwortet.
Wie ich höre, beabsichtigt man hier mit Unterstützung des Gustav-Adolf-
Vereins ein helvetisches Realgymnasium zu errichten und will mich übli-
cherweise auch anbetteln. Als Katholik und Konservativer komme ich da in
eine eigentümliche Lage, da dies wohl eine Brutstätte nicht des orthodoxen
Protestantismus, das ginge noch, sondern des Rationalismus oder Hussitis-
mus werden wird. Werde mir’s wohl überlegen, ob und was ich tue. Einen
Baugrund kann ich ohnehin nicht schenken, da meine Güter mit dem Subs-
titutionsband behaftet sind.
An meinem Landesausschuss-Beisitzerposten ist mir das Unange-
nehmste, dass er ein besoldeter [Posten] ist und ich meinem Lande nicht
wie stets und immer unentgeltlich dienen kann, wozu ich Willen und das
Vermögen habe. Verzichtleisten ist unmöglich wegen der Kollegen, die dies
nicht können und wegen etwaiger Nachfolger, deren Mittel es nicht erlau-
ben könnten. Bleibt also nichts übrig, als sich zu fügen und etwaige Esel
und gemeine Kerle glauben zu lassen, ich hätte meine Freiheit um lum-
pige 2 000 fl. verkauft, und ihnen zu gestatten, an meine Leistungen den
Maßstab des Geldes zu legen und jene nach diesem vielleicht zu gering zu
finden.
Ad vocem helv[etisches] Gymnasium wäre es vielleicht an der Zeit, einen
kathol[ischen] Trumpf auszuspielen und auch hier wie in Lösch ein Kloster
zu stiften. Das Tomanki’sche Haus – bis es in meinen Besitz kam, ein urcal-
vinisches – eignete sich dazu, und welch eigentümliche Fügung Gottes wäre
dies.
497 Thun erwog am 2. August ausführlich das Pro und Contra einer Kandidatur, er würde sie
nur im äußersten Notfall annehmen, gebe aber zu bedenken, dass er als Diplomat seit 34
Jahren fast ausschließlich im Ausland gelebt habe. Er halte nichts vom neuen Konstituti-
onalismus, der noch dazu nicht ehrlich gemeint sei, sondern in den Händen der Regierung
nur „ein großartiger Humbug“ und „eine Fahne sei, um sich populär zu machen.“ Er halte
es daher für „gebotene Pflicht, sich für den Moment zu reservieren, wo ein Umschwung
eintreten wird.“ Der Brief enthält außerdem einen Seitenhieb auf die „Mehrzahl unserer
Standesgenossen, die sich früher nur mit Jagd und Weibern abgegeben haben und jetzt auf
einmal als grosse Staatsmänner auftauchen wie der ehrenvolle Präsident des Herrenhau-
ses [gemeint Fürst Carlos Auersperg].“
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115