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Dort erfahren, dass wieder ein Waffenstillstand abgeschlossen sein soll
und dass die Preußen als Friedensbedingungen die Ausscheidung Öster-
reichs aus dem Bunde und unser Schlesien verlangen!
Die Waffenruhe soll bis z[um] 26. d. [M.] dauern. Mir graut schon vor allen
diesen Verhandlungen. Und wenn Venedig abgetreten ist, ist ja so schon das
Beste von Österreichs alter Stellung und Beruf[ung] verloren.
Hätte man zum Beginn des Krieges eine tüchtige Reserve-Armee bei
Wien aufgestellt und sich nach der Niederlage von Königgrätz mit der
Nord-Armee auf Olmütz zurückgezogen, wir stünden heute besser. Die
Feldherrngabe scheint einmal überall zu fehlen und ebenso die energische
Regierung.
Wenn Böhmen aus polit[ischen] Gründen schon einmal der Kriegsschau-
platz sein musste, dann gab es nur zwei strategische Aufgaben. Die eine war,
die Vereinigung der feindl[ichen] Armeen zu hindern und zuerst die über
Reichenberg Vorrückenden zu schlagen. Zu diesem Zwecke musste die ganze
Armee an die Iser vorgehen. Die andre war, wenn schon die Vereinigung
nicht mit ganzer Kraft gehindert werden konnte, die Aufstellung der ganzen
Macht hinter der Elbe, gestützt auf Josefstadt und Königrätz.
Statt dessen ließ man das 1. Korps und die Sachsen sich ohne Unterstüt-
zung in zwecklosen Kämpfen an der Iser aufreiben, und der demokratische
Held Benedek stellte sich dann so ungeschickt als möglich mit dem Rücken
an die Elbe und maskierte dabei die eigenen Festungen.
Die Wiener sollen sich jetzt wieder als dasjenige erweisen, was sie immer
waren, als ein rechtes Gesindel. Vor dem Kriege bliesen sie ins Feuer und
schrien nach Blut, jetzt wird ihnen um den Geldsack und die Unterhaltung
bange, und nun heulen sie um Frieden. Sie sollen sogar den Kaiser auf der
Straße angehalten und zu verschiedenen Malen beschimpft haben! Gibt’s
denn niemand, der ihnen Ernst zeigt?
Lösch, 25. Juli 1866
Anstatt der Nachricht von einem Waffenstillstand kam gestern abends die
von einem großen Siege bei Gänserndorf. Gott gebe, dass sie wahr ist und
ein umlaufendes Telegramm des Erzh[erzo]g Albrecht an den Kaiser sich als
echt erweist.
Abends erzählten alle aus Brünn zurückkehrenden Weiber von diesem
ganz verbreiteten Gerücht.
Seit heute Früh scheint wirklich der Exodus aus Brünn begonnen zu ha-
ben und auf der Straße gegen Olmütz vor sich zu gehen.
Lösch, 26. Juli 1866
Heute Vormittag wieder die Abschrift eines angeblichen Telegramms der
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
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- 1875 400
- 1876 449
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- 1886 770
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- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115