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damit dem Fleiße und der Sparsamkeit des Bauernstandes ein heilsamer
Anstoß gegeben worden. Alle hätten um die Wette gearbeitet und gespart,
das zum Ein- und Loskauf nötige Kapital zu erwerben oder das hiezu ausge-
liehene abzuzahlen. Sie besäßen ihren Grund jetzt im Vollgefühl des durch
harte Arbeit und Entbehrung, vielleicht aber redlich erworbenen Besitzes.
Zu dem berechtigten Stolze hätte der Bauer noch den Gewinn vermehrter
Arbeit – und Sparsamkeit, kurz: Wir hätten einen sittlich und materiell ge-
hobenen und gefestigten Bauernstand. Das wäre der Segen!
Stattdessen kam die Revolution mit ihren Ablösungsgesetzen. Dem Bau-
ern ward mit Gewalt sein nun „freier“ Besitz im Schlafe zugewiesen, der
„Freie“ gezwungen, eine geringe Ablösung zu zahlen, der Berechtigte ge-
zwungen, sich damit zufrieden zu stellen, Verträge durch liberale Gesetze
gebrochen usw.
So wurden nicht nur dem Sittlichkeits- und Rechtsgefühl kaum heilbare
Wunden geschlagen, auf die Eumulation und ihre sittigende Macht durch
Selbsterwerb, durch Sparsamkeit und Fleiß leichtfertig verzichtet und das
Gefühl der Unsicherheit des in solcher Weise erworbenen Besitzes auf Ge-
nerationen dem Bauernstand eingepflanzt, sondern derselbe dem sittlichen
und materiellen Ruin durch die weitere liberale Herrschaft, durch Steue-
rerhöhung, allgemeine Wehrpflicht, Wucherfreiheit und Freiteilbarkeit der
Gründe, allgemeines Erbrecht etc. zugeführt. Das ist der Fluch!
Ingrowitz, 26. September 1876
Die Macht im weitesten Sinn, also auch die materielle, ist auch ein notwen-
diges Element jeglicher Herrschaft.
Es ist Gottes Gesetz in der Natur, dass der überlegene Geist über den
beschränkten, der Starke über den Schwachen, der Reiche über den Armen
herrsche. Deshalb war in normalen Verhältnissen, wie die Geschichte lehrt,
die besitzende Klasse niemals die dienende und die nichtbesitzende die herr-
schende. Auch dieses natürliche, die Stabilität, Ordnung, Freiheit und den
wahren Fortschritt in der menschlichen Gesellschaft verbürgende Verhält-
nis hat die Revolution in unsern Tagen in das Gegenteil verkehrt. Sie hat
die Unnatur zur Regel erhoben und bisher mit Gewalt erhalten. Repräsen-
tiert ist diese moderne Herrschaft durch das geistige Proletariat des Schrei-
bertums, Bürokratie, Advokaten, Notare etc. Diese Parasiten am gesunden
Volkskörper müssen ihm das Lebensblut aussaugen, um sich selbst zu erhal-
ten. Sie müssen die jetzigen Besitzer depossedieren, um sich selbst in ihren
Besitz zu setzen, denn nur so kann die ephemere Gewalt die materielle Basis
erlangen, um sich in eine dauernde zu verwandeln.
Es ist von beiden Seiten ein Kampf um die Existenz, ein Kampf um Leben
und Tod.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115