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Schriftgelehrte und Pharisäer haben auf das auserwählte Volk den Fluch
gebracht, Sophisten und Advokaten die alten Griechen und ihr Gemeinwe-
sen dem Eroberer, den Römern überantwortet.
Und Byzanz und seine vertriebenen Gelehrten, welche dann das Abend-
land überschwemmten!
Fürstenberg ist also Kardinal, ein Mitglied des heil[i]g[en] Kollegiums,
welches den Statthalter Christi, das sichtbare Oberhaupt seiner Kirche,
wählt!
Wenn ich so einige mir bekannte Kardinäle betrachte und bedenke, wozu
sie berufen sein können und dass die hl. Kirche 1900 Jahre besteht – dann
schwindet auch der letzte Schatten eines Zweifels, dass Christus bei ihr ist
bis ans Ende der Tage und dass der Hl. Geist und nicht Menschen sie regie-
ren!
Lösch, 20. Mai 1879
Minister G[ra]f Taaffe – dessen Schicksal durch die jämmerliche Thron-
Rede beim R[eichsr]atsschluss1349 eigentlich schon besiegelt ist – schrieb an
Alb[ert] Widmann, er möchte die Aufnahme des Sohnes seines Verwalters
in unsre Forstschule erwirken. Trotzdem, dass sich eine übergroße Zahl von
Mährern und Schlesiern – für welche die Schule gegründet ist – zur Auf-
nahme gemeldet hatten und ungeachtet vollkommener Eignung großenteils
wegen Raummangels abgewiesen werden mussten, wollten doch sogleich
Widmann und Mittrowský, dass der vom Minister Empfohlene aufgenom-
men und allen Berechtigten vorgezogen werde! Mit einem wahren Feuereifer
und vollendetem Servilismus schilderten sie die Vorteile, einem Minister zu
Willen zu sein etc.
Glücklicherweise siegten schließlich Anstand und Gerechtigkeit, und sie
fielen mit ihrem Antrag durch. So endete die ekelhafte Szene.
Dann bei Louis Serényi gegessen und Nachmittag 3 Stunden ihm und
Ernst Gudenau, der sich selbst „das räudige Schaf der Partei“ nennt, stand-
halten müssen, die gar nichts mehr eifriger wollen als Prinzipien, Vergan-
genheit und Ehre wegwerfen und bedingungslos kapitulieren, d. h. in den
R[eichsr]at – gehen! Endlich gab ich ihnen darin nach, dass ich die ganze
Angelegenheit auf eine Beratung des kons[ervativen] Wahlkomitees verwies,
welches am 4. Juni zusammentritt.
Gudenau verfolgt persönliche Zwecke, welche zu erreichen er in Wien sein
und sich bemerkbar machen will, um bei Hofe oder einem Erzherzog eine
Anstellung zu finden. Der beschränkte Serényi ist eben unzufrieden mit der
1349 Die Thronrede vom 17.5.1879 bei kolMer, Parlament und Verfassung 2, 548f. bzw.
StPAH, VIII., 14783f. (16.5.1879, gehalten am 17.5.).
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115