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LÖSCH, 5. JUNI 1879 549
Ebenfalls gestern brachte mir auch die Post den durch Fürstenberg1361 an-
gekündigten Aufruf.1362 Ein Phrasengewebe mit der Aufforderung, alle prin-
zipiellen und staatsrechtlichen Differenzen beiseite zu lassen, sich nur mit
wirtschaftlichen Fragen zu befassen, aber – im R[eichsr]at!
Lösch, 31. Mai 1879
Vor einigen Wochen brachten die Zeitungen die bedauerliche Nachricht, der
böhm[ische] staatsrechtl[iche] Klub habe beschlossen, für die nächsten Wah-
len in den R[eichsr]at keine adeligen Kandidaten mehr vorzuschlagen!
Darob natürlich großer Jubel im liberalen Lager und auch dem mähr[i-
schen] nationalen Klub. Wie blind und dumm.
Unser Volk leidet schwer am Mangel eines in größerer Zahl autochtho-
nen Adels, ein Teil desselben stand aber dennoch – bis ihm die Regierung
mittelst des Chabrus und andern Hochdrucks in die Minorität brachte – seit
19 Jahren zum Volke, und jetzt stößt ihn die demokratische Advokaten-
bande besorgt, nicht ausschließend das Volk zu beherrschen, zurück. Gleich-
zeitig hämmert man pharisäisch und wirft dem Adel vor, dass er sich ab-
schließe und will dem Volke glauben machen, man vertrete seine Interessen.
Für den Hlas werde ich die Übersetzung der bezüglichen schönen Worte
in Dupanloups Werk „Über die Erziehung“ besorgen.
Nachmittag Expressbrief erhalten, abends einer Konferenz mit Heinr[ich]
Clam, Karl Schwarzenberg und Georg Lobkowitz in Prag beizuwohnen. Lei-
der unmöglich.
Lösch, 5. Juni 1879
Am 4. zur Besprechung des kons[ervativen] Wahlkomitees nach Brünn.
Louis Serényi kapituliert unbedingt und läuft zur neuen Taaffepartei
über. Gudenau desgleichen, nur etwas verschämter.1363
Hugo Salm, Königsbrunn, Spiegel, Logothetti halten fest. Am 7. Ver-
sammlung dieser Partei in Brünn. Das Resultat zwar abzusehen, doch ab-
zuwarten.
1361 Joseph von Fürstenberg.
1362 Zum Programm der Adelspartei zur Besetzung des Reichsrats siehe den Eintrag vom
29.5.1879.
1363 In späteren Briefen erklärte Serényi (15.6.), er sei am 4. aus der Partei ausgetreten (vgl.
auch Eintrag vom 17.6.1879); umgekehrt argumentierte Gudenau (7.6.), es sei am 4. nicht
abgestimmt und daher auch kein Beschluss gefasst worden; er könne sich nicht als aus-
geschlossen betrachten, da er als Vertrauensmann der Partei und nicht dem Komitee
verantwortlich sei; er erwarte, nach wie vor eingeladen zu werden: „Sollten Euer Hoch-
wohlgeboren anderer Ansicht sein, so würde ich auch ungeladen erscheinen und die Fol-
gen sehr ruhig erwarten.“
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115