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Anträge, über die Lage im Allgemeinen und die soeben stattgehabte, meine
Kandidatur betreffende Verhandlung. Nach allseitiger Zustimmung rückte
der Kardinal mit dem Vorschlag heraus, wir möchten uns nun alle ins Grand
Hotel zu den dort Versammelten zur endgültigen Feststellung des morgi-
gen modus procedendi begeben. Ich bemerkte gleich, dass es damit auf eine
Trübung unserer Stellung abgesehen sei – welchem mir bekannten Plane
– er als blindes Werkzeug diene. – Ich bemerkte, dass es mir angemesse-
ner und würdiger erscheine, hier vereint zu verhandeln und mit den andern
durch Nuntien die Verständigung zu erzielen. Nachdem ihm jedoch viel an
dieser Komödie zu liegen schien, gab ich nach, und wir gingen. In die dortige
Versammlung eingetreten, bemerkte ich wohl im Ausdruck der Gesichter
einiger wie Trauttmansdorff, Gudenau, Viktor Widmann die Freude über
die gelungene Fusion. Fand ich jedoch an diesem Abend nicht nötig, dieselbe
durch Erklärungen und dgl. zu stören. Tatsächlich taten sie es gleich selbst,
indem sie bei der Probewahl eines Kandidaten für Hugo Salm jun., wir aber
für Ferdinand Spiegel stimmten. Nachdem diese Wahl unentschieden blieb,
kamen sie zu mir gelaufen mit dem Begehren, wir möchten doch für ihren
Kandidaten stimmen, die unsern seien sonst „zu viele“ auf der Liste! – Sie
machten also selbst die Unterscheidung, was mir sehr erwünscht kam und
in der Folge in Erinnerung zu bringen sein wird. Deshalb wendete ich weiter
nichts dagegen ein und bat meine Freunde, für Hugo Salm zu stimmen.
Am 7. Früh zur Reichsratswahl nach Brünn mit Karl Seilern.
Unsre Kandidaten siegten mit 4 Stimmen über die absolute Majorität von
71! Die „Verfassungstreuen“, welche bis zuletzt jede Verständigung schroff
zurückwiesen, brachten es auf 66.1377 Bemerkenswert war der verbissene
Widerstand der Regierung gegen uns und den Minister, der angeblich eine
neue Ära einleiten soll, bei der Wahl der Wahlkommission und die Kandida-
tur des H[errn] Chlumecký gegen uns sowie seine und aller Beamten – die
Wähler sind – gegen, d. h. für die „Verfassungstreuen“! Sie alle, Chlumecký,
Harasowsky, Stahl1378 stimmten oppositionell.
Das erweckt – bei fortdauernder Energielosigkeit – geringe Erwartungen
für die Zukunft.
Wegen eines Gerüchts, es solle Nachmittag seitens der Fusionisten ein
weiterer Versuch, uns an sie zu binden, d. h. uns von unserm Programm ab-
zudrängen, in einer Versammlung ad hoc gemacht werden, bestimmte mich,
in der Stadt zu bleiben.
1377 Bei den Wahlen für den mährischen GGB erhielten von den 141 abgegebenen Stimmen
Egbert Belcredi, Berchtold, Kardinal Fürstenberg, Gudenau, Vetter, Adolf Dubský, Loudon
75 und Friedrich Stockau 74 Stimmen. NFP, 8.7.1879 M, 2; Prager Tagblatt, 8.7.1879, 5.
1378 Ludwig Josef Freiherr von Stahl (1847–1896?), Besitzer des Gutes Diwnitz; MmLT ab 1884.
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115