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LÖSCH, 26. SEPTEMBER 1879 561
Lösch, 23. September 1879
Mir ist der Eintritt in den Reichsrat und dessen Folge, die langen Aufent-
halte in Wien, ohnehin über alle Beschreibung widerwärtig. Und das Ein-
zige, was mir das Opfer erträglicher machen konnte, war der Gedanke des
Zusammenseins mit einigen lieben Freunden. Und nun lese ich eben, dass
der mir Sympathischste, Karl Schwarzenberg, sein Mandat zurückgelegt
habe! Was mag der Grund sein?
Unangenehmeres hätte mir nicht geschehen können!
Der Staatskünstler Taaffe hat es schon dahin gebracht, dass, wie von An-
beginn die liberal-zentralistischen, auch die ämtlichen Blätter gegen ihn wü-
ten, [dass] nun auch die föderalistischen sich von ihm abwenden.
Immer die alte Misere und Halbheit! Und eine solche Regierung soll einer
konservativen den Weg ebnen?
So muss weit eher der Liberalismus wieder zur Macht kommen.
Wieder das alte, zweimal missglückte1392 Experiment mit Statthaltern
und einer Bürokratie, die Giskra und Lasser diente, konservative Reformen
durchsetzen zu wollen.
Hohenwart war jetzt – wie mir Richard sagte – nicht zu bewegen, ins Mi-
nisterium zu treten.
Fritz Schönborn war für die Justiz in Vorschlag. Man ging davon auf Ho-
henwarts Andringen ab, weil er – nicht Abgeordneter ist! Dann machte man
Korb von Weidenheim1393 zum Handelsminister, der – auch nicht Abgeordne-
ter ist. Zum Skandal behielt man Stremayr, der angeblich dadurch bei seiner
Partei diskreditirt wird! Wie kurzsichtig! Die Liberalen sind keine Catone
und werden ihm die vor
übergehende Verbindung mit Konservativen schnell
verzeihen, wenn er ihnen nur wieder zur Herrschaft verhilft.
Die Zeit sanften, unauffälligen, allmählichen Reformierens ist vorbei.
Dazu ist die Krankheit zu weit vorgeschritten und ihr Verlauf zu rasch.
Aut Caesar, aut – nihil!1394
Lösch, 26. September 1879
Die Mandatsniederlegung Karl Schwarzenbergs erklärt sich nun durch seine
Berufung ins Herrenhaus.
1392 Gemeint ist die Ära Belcredi (1865–1867) bzw. Potocki/Hohenwart (1870/71).
1393 Karl Korb, Ritter (seit 1860 Freiherr) von Weidenheim (1835–1881), verfassungstreuer
böhmischer GGB, MbLT ab 1866, MöAH (1873–1879), Handelsminister im Kabinett
Taaffe (1879/80), als welcher er den Bau der Arlbergbahn initiierte; anschließend Statt-
halter von Mähren. Vgl. Eintrag vom 27.9. und 11.10.1880.
1394 Entweder Cäsar oder nichts!
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115