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Ingrowitz, 16. September 1880
Gestern Früh reiste Dr. R[udolf] Meyer nach Wien ab. Wie schnell sind die
Wochen voll Belehrung und Anregung mit dem gelehrten Mann und ange-
nehmen Gesellschafter vergangen.
Auch bei ihm wiederholt sich leider die Erfahrung, dass man eine so sel-
tene Kraft nicht zu würdigen und zu benützen versteht.
Heinrich Clam, Georg Lobkowitz und auch Fritz Schönborn haben nie
Schritt getan, ihn kennen zu lernen! Gedankenlosigkeit oder ein mir unver-
ständliches Selbstgefühl?
Ingrowitz, 19. September 1880
Der Herr Bürgermeister von Brünn zeigt sich bezüglich der böhm[ischen]
Schulen bereits so, wie es vorauszusehn war und wie es immer ist, wenn
man den Bock zum Gärtner macht. Unsre Versöhnungsmeier Šrom und Ko-
zánek sowie das alte Weib Pražák waren aber für Bestätigung seiner Wahl.
Nun sehen sie, was bei Schonung solcher Gegner herauskommt. Heute veře-
jná schůze der hiesigen Jednota k[atolicko]-p[olitická].
Ingrowitz, 23. September 1880
Hermann Wagener sagte einmal: „Die Revolutionen gelingen, weil den Herr-
schenden im letzten entscheidenden Augenblick das böse Gewissen den Arm
lähmt. Sie brechen mit dem System des Terrorismus gerade dann, wenn er
sich bewähren soll.“
Ingrowitz, 24. September 1880
Alfred Pfeill[-Scharfenstein] schreibt mir heute von einem Journal in Wien,
welches Rieger als Organ der autonomistischen Parteien gründen will und
Dr. R[udolf] Meyer, die Herrn aus der Redaktion des Vaterland sagten von
Falkenhayn,1430 dass er ängstlich über die resolute Haltung des Vaterland
sei! Allein au risque, ihm im Augenblick, aber keinesfalls auf die Dauer zu
missfallen, können wir einen werten Mann und eine solche Sache nicht
kompromittieren? Wir werden also weder Gesinnung noch Äußerung än-
dern! Dafür wird die Regierung die Abendpost1431 in eine große politische
Zeitung verwandeln. Inthal sagt, das jüdische Redaktionspersonal bleibe
und werde die Regierung an die liberalen Kollegen tunlichst verraten.
Das Unternehmen schadet also den Liberalen nicht. Wenn sie uns hätten
vernichten können – die Abendpost-Juden, welche dem Bürgerministe-
rium ihre Stellung verdanken –, so existierten wir längst nicht mehr. Also,
1430 Graf Julius Falkenhayn, seit 12.8.1879 Ackerbauminister im Kabinett Taaffe.
1431 Die Abendpost war eine Beilage der offiziellen Wiener Zeitung.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115