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WIEN, 25. APRIL 1882 619
Lösch, 16. April 1882
Im Laufe des Tages 3 verschiedene Arbeiterdeputationen, darunter eine von
Sozialisten, empfangen. Noch kommen die Leute. Sie hoffen also noch und
lassen ganz gut mit sich reden. Aber bald muss geholfen werden, sonst ist es
zu spät. Morgen mit Dr. R[udolf] Meyer nach Wien, da übermorgen wieder
Sitzung des Abgeordnetenhauses ist.
Wien, 24. April 1882
Seit dem 17. hier an der sauern Arbeit. Vorgestern Leo Thun meine Subven-
tion fürs Vaterland pro 1882 wie alljährlich mit 1 000 fl. übergeben.
Nach dem Frühstück kam der P. Provinzial der Dominikaner zu mir, der
mir sagte, dass wegen Welehrad noch nicht alles entschieden, aber von der
Besitzerin,1525 welche mit 1 700 000 fl. Schulden in den Händen des Juden-
barons Hirsch sei, vergeblich auf zwei Anfragen, ob nicht die Konventsge-
bäude zu kaufen wären, eine Antwort erwartet werde. Er erzählte mir auch,
es bestünde in Leitmeritz eine Stiftung des vielgeschmähten Kaisers Ferdi-
nand II. für Novizen des Ordens böhmischer Zunge!
Also doch kein solcher Verfolger alles Böhmischen!
Wien, 25. April 1882
Gestern Abend wieder endloses Geschwätz und ganz resultatlose Sitzung
des Gewerbeausschusses.
Die Linke verschleppt, da sie nicht will, dass etwas und dass es durch uns
geschehe, und die sog. konservative Rechte ist samt allen Führern blind. Von
allem, was bisher seit den 3 Jahren geschehen, [sind] es allein unsre Tätig-
keit und die im Gewerbeausschuss vertretenen Grundsätze, welche weitere
Kreise berühren und der Rechten einige Popularität einbrachten.
Und doch fehlt alles Verständnis seitens der „Führer“ und eine entspre-
chende Unterstützung.
Unser Statthalter1526 erzählte mir neulich folgende erbauliche Geschichte:
„Er habe einmal des Abends einige Brünner Fabriken besuchen wollen. Der
Handelskammersekretär habe dringend davon abgeraten, weil das Umher-
gehen zwischen den im Gange befindlichen Maschinen zu gefährlich sei!“
Was ist das für eine Sorge für die Sicherheit der Arbeiter!
Die müssen sich müde und schlaftrunken in diesen, wohl auch ungenü-
gend beleuchteten Räumen bewegen.
Allerdings fallen die Verunglückten den Gemeinden und nicht den Fabri-
kanten zur Last.
1525 Herzogin Iphigenie de Castries, geb. Sina.
1526 Graf Friedrich Schönborn.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115