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WIEN, 6. FEBRUAR 1884 701
Geht es nicht nach Wunsch, leicht und schnell, so wirft der gefeierte Pat-
riot die Bürde ab, lässt Mähren sein und geht nach Wien.
Lösch, 18. Jänner 1884
Wie soll unser, d. h. kathol[ischer] Adel pflicht- und berufsgemäß für Land
und Volk wirken, wenn er seine Lage, Gefühls- und Denkungsweise, Tugen-
den und Fehler, seine Literatur usw. nicht kennt?
Und er kann dies alles nicht kennen, da ihm das vornehmste Mittel dazu,
die Kenntnis der Sprache, bis auf verschwindende Ausnahmen fehlt. Es ist
kaum begreiflich, dass selbst hervorragende und pflichteifrige Männer, wie
z. B. F[erdinand] Spiegel, die Scheu vor der Schwierigkeit ihrer Erlernung
nicht überwinden können.
Wien, 3. Februar 1884
Ausnahmszustand. Die sozialdemokratische Saat schießt in die Halme.
Dr. Rud[olf] Meyer sagte es in seinen Korrespondenzen aus London vor 4
Jahren voraus, dass ihr Aktionszentrum werde nach Wien verlegt werden.
Niemand beachtete dies.
Wie gewöhnlich!
Statt jetzt zu reformieren, billige Forderungen zu erfüllen, um mit umso
größerem Nachdruck unbilligen entgegenzutreten zu können, wird man
wohl auch meine Bestrebungen sehr bedenklich finden und alles mit Polizei
und Soldaten ordnen wollen.
So geht es immer, bis dann der Weltbrand alles verzehrt. Wie ich stets
besorgt, geht es schon im Gewerbeausschuss schief. Ob ich meine Arbeits-
ordnung durchbringe, ist zweifelhaft.
Den Polen fehlt es an Verständnis und Willen.1666
Auch die Regierung – unglaublich – soll den Normalarbeitstag und dgl.
nicht mehr wollen!
Wien, 6. Februar 1884
Der Handelsminister sagte gestern Al[oys] Liechtenstein, die Regierung sei
nicht gegen den Normalarbeitstag. Die gegenteilige Behauptung des Sekti-
onsrats Weigelsperg, der ganz auf der Fabrikantenseite steht, ist also un-
wahr.1667
1666 Vermutlich war damit insbesondere Leon von Biliński gemeint, der spätere Finanzmi-
nister, der im Ausschuss „eine Kompromißformel zwischen den radikalen Anträgen des
Referentenentwurfs und den Gegenvorstellungen der aufgebrachten gewerblichen Unter-
nehmer herzustellen und durchzusetzen vermochte“ (eBert, Sozialpolitik, 185).
1667 Pino wollte die „gesetzliche Normierung eines Maximalarbeitstages“ aber nur für „fab-
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115