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LÖSCH, 28. APRIL 1886 775
Wien, 8. April 1886
In Galizien wird eifrig für die Sonntagsruhe und Einsendung dahingehender
Petitionen agitiert. Leider sagen die Bauern, die „Herrn“ im Reichsrat woll-
ten mit dem „jungen“ Kaiser – dem Kronprinzen – den Alten entthronen und
die Robot wieder einführen! Dagegen müssten sie petitionieren!
Das ist ein vulkanischer Boden!
An Aloys Liechtensteins schöner Budgetrede1827 haben die hiesigen ade-
ligen Esel am meisten zu tadeln, dass er die Anerkennung des böhmischen
Staatsrechts forderte. Jaromír Czernin meinte, man sollte all den veralteten
Plunder ignorieren, der Kaiser sich krönen lassen – womit und wovon, von
Cisleithanien etwa – und damit Punktum!
Welch bodenloser Unsinn.
Lösch, Ostersonntag, 25. April 1886
In Galizien Bauernunruhen.
Den Anlass soll die Agitation für die Petition um Sonntagsruhe gegeben
haben. Wahrscheinlicher die Gegenagitation der Juden. Schließlich werden
unsre Reformbestrebungen für alles verantwortlich gemacht werden. Welch
feuergefährlicher Stoff sich doch überall befindet. In England, Belgien,
Frankreich, Italien, Galizien züngeln die Flammen des Weltbrands aus dem
Boden!
Lösch, 27. April 1886
H[err] vom Chlumecký rückt immer weiter nach der Mitte. Er begreift, dass
nach dem pseudokonservativen Ministerium Taaffe doch nicht ein solches
aus der liberalen Linken folgen könnte. Zu etwas „Halbem“ sind die Men-
schen immer geneigt.
Lösch, 28. April 1886
Dann eine Stunde beim leider kranken Alumnatsregens Dr. Pospíšil. Wir
sprachen u. a. auch von der seltsamen Manie gelehrter vlastenci wie Profes-
sor Gebauer, mit aller Mühe die Unechtheit der Královédvorská und Zeleno-
horská r[ukopis]1828 nachzuweisen. Und zwar in dieser Zeit! Sie werden da-
mit nur eines sicher erreichen, nämlich: Dass der Zweifel an ihrer Echtheit
ein allgemeiner und unausrottbarer sein wird.
1827 StPAH, X., 1071–1077 (22.3.1886).
1828 Johann/Jan Gebauer (1838–1907), MöHH ab 1905, Linguist und seit 1880 Professor in
Prag; es ging um die beiden romantischen Fälschungen der ersten Jahrhunderthälfte,
die sogenannte „Königinhofer“ und „Grünberger“ Handschrift; vgl. urBan, Tschechische
Gesellschaft, 555–558.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115