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1887
Brünn, 7. Jänner 1887
Das stets zahme Verhalten der Minorität [des mährischen Landtages] –
welche ja die Majorität im Lande vertritt – anstatt eines sehr energischen
und selbst ein bisschen lärmenden Auftretens gegen die jeden Anlass zur
Unterdrückung ausbeutende Majorität, welche ihre Stellung rücksichtslos
ausnützt, entspricht zwar dem sanften, friedliebenden Dr. Šrom, ist aber ein
politischer Fehler. Es scheint dann, in Mähren sei alles glatt und eben, und
von allen Seiten, auch von der Regierung, wird das Verkehrteste gemacht
im Vertrauen, in diesem glücklichen zufriedenen Lande keinem Widerstand
zu begegnen. In Wien sodann rühmen und täuschen die Liberalen an hoher
und höchster Stelle mit dem Hinweis auf diesen unter ihrer Herrschaft so
„ruhigen“ Landtag, und unsre Gesinnungs- und Stammgenossen in Böhmen
erscheinen und werden so dargestellt, als seien sie Unruhestifter von Pro-
fession und wir, von den Liberalen regiert, eben deshalb sanfte, gute Kinder.
Brünn, 8. Jänner 1887
Gestern bei Schönborn gespeist, die eben von Prag zurückkamen. Sie sagte
u. a., die dortige Gesellschaft sei ihr so aristokratisch abgeschlossen, in Sit-
ten und Ideen um 100 Jahre gegen Wien das „verjudete“ zurück usw. vorge-
kommen! Sie berührte dies „unsympathisch“. Ich sagte: Gott sei Dank.
Unter der liberalen Landtagsmajorität geht etwas vor. Offenbar wollen
die böhm[ischen] Exulanten, dass auch hier eine Demonstration in ihrem
Sinne inszeniert werde. Chlumecký und Sturm wollen nicht recht daran, da
sie fürchten, in Wien ihre Reputation als Beherrscher des „friedlichen“ Mäh-
ren zu kompromittieren.
Brünn, 9. Jänner 1887
Wie sehr die Liberalen noch herrschen, und wie wenig dieses prinzipienlose
Ministerium ihre Macht brechen konnte oder wollte, beweist die Geschichte
der Bewerbung des Professors Pohl um die landw[irtschaftliche] Lehrkanzel
an der hiesigen Technik.
Zuerst ward Pohl vom Lehrkörper allein für diesen Posten vorgeschlagen.
Dann brachte es Professor und Reichsratsabgeordneter Habermann1866
dazu, dass doch ein Ternavorschlag erstattet wurde, in welchem zwar
1866 Joseph Habermann (1841–1914), MöAH (1886–1891), 1875 Professor an der Technischen
Hochschule in Brünn, 1882 Rektor, 1886 als Nachfolger Alfred Skenes d. Ä. in den Reichs-
rat gewählt (Stadtgemeinden Neutitschein).
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115