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LÖSCH, 11. APRIL 1887 805
An Österreich bewährte sich bis jetzt das Wort König Stephan des Heili-
gen von Ungarn, „daß nur dem Reiche Dauer und Festigkeit innewohne, in
welchem eine Mannigfaltigkeit der Völker und Sprachen lebe“!
Lösch, 6. April 1887
Leo Thun geschrieben und für seine letzte Rede gedankt. Gegen Begriffsver-
wirrung, zumal in den wichtigsten Fragen des Rechts, aufzutreten – wie er
es getan – ist immer opportun.
Siegfried Salm den defizienten Priester Jan Blokša als Messeleser emp-
fohlen. Er ward es auch mir, als er nach Pavelka um die Aufnahme hier als
Schloss-Kaplan bat. Leider muss ich diese Stelle wegen meiner langen und
oftmaligen Abwesenheit und aus Ersparungsgründen unbesetzt lassen.
Der auf dem Lande früher ausschließliche Einfluss der Geistlichkeit
schwindet durch jenen der zahlreichen, im Lande angesiedelten Advoka-
ten und Notare, besonders aber [durch] die liberale Lehrerschaft, mehr und
mehr. Früher war der Priester gewöhnlich der einzige höher Gebildete. Jetzt
drängt ihn die liberale „Aufklärung“ zurück, wie es z. B. die Vorgänge bei
den letzten Wahlen und dgl. bewiesen haben.
Im Dorfe ist zudem der Schullehrer ein erwünschter Bräutigam für die
Töchter noch reicherer Bauern, die sich über ihren Stand erheben wollen,
und Schwiegersohn eitler hochmütiger Eltern. All dies fördert ihren Einfluss
zum Nachteil der Priester und des Volkes.
Lösch, 11. April 1887
Für die diesjährige Wallfahrtszeit soll also endlich der hl. Hostein eine Je-
suiten-Expositur erhalten. Diese können nur dem Prager Haus entnommen
werden. Die Möglichkeit scheint mit zweifelhaft. Hätte der Olmützer Erz-
bischof bei seinen zahlreichen Güterkäufen daran gedacht, so könnten wir
längst eine Jesuiten-Niederlassung im Lande haben und damit böhmische
Patres. Stattdessen kaufte er vieles für das Erzbistum, dessen Grundbesitz
(betrug schon früher mehr als 80 000 Joch!) ohnehin schon zu groß ist und
nur den Neid und die moderne Raublust nährt und steigert!
Wie ungeschickt sich doch die mährischen Edelleute im Reichsrat bei al-
len Anlässen benehmen! Man hatte – allerdings durch allerlei Übertreibung
– den polyglotten Banknotentext zu einer Herzensangelegenheit und das
Verlangen danach zur Ehrensache der Nation gemacht. Und die Berchtold,
Vetter, Žerotín stimmten mit den Deutschen dagegen, obgleich sie wussten,
dass unter allen Umständen die dafür Stimmenden in der Minorität seien
und ihre Stimmen daran nichts ändern würden. Wozu also die Trennung
und der Antagonismus in einer geringfügigen Sache? Die einfältige Haltung
dieser Edelleute der sog. „Mittelpartei“ in Landtag und Reichsrat wird dann
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115