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WIEN, 16. MAI 1888 845
Wien, 10. Mai 1888
Neulich sagte ich dem Minister Pražák, dass, wenn er einmal hören sollte,
dass man mich ins Herrenhaus berufen wollte, er in meinem Namen erklä-
ren möchte, ich würde dies nicht annehmen. Er erwiderte, dies ginge nicht!
Armselige Bedienstetenseelen. Alles auf Kommando. Ich bin ein freier Edel-
mann und übernehme keine Pflicht, die ich nicht erfüllen kann. Ich hätte
dazu weder Zeit noch Geld.
Nachmittag in den Prater gegangen. Unterwegs gesehen, dass an allen
Bauten – trotz des heutigen hohen Festes Christi Himmelfahrt – rüstig gear-
beitet wird! Die Regierung ist blind.
Wien, 11. Mai 1888
Abg[eordneter] Architekt Hlávka,1986 der 200 000 fl. zur Gründung einer
böhmischen Akademie der Wissenschaft in Prag anlässlich des Kaiserjubi-
läums widmen wollte, zeigte mir heute die Widmungsurkunde, die er durch-
gestrichen mit einer im Auftrag Taaffes trocken ablehnenden Zuschrift des
Schriftführers des Ministerrats zurückerhalten hatte.
Einfach eine Impertinenz! Die Magyaren haben ihre Akademie in Pest,
die Kroaten in Agram, die Polen in Krakau, die Deutschen in Wien. Wir aber
sollen sie nicht haben? Natürlich bestärkt [das] die Meinung, dass man auf-
gehört hat, mit uns zu rechnen! Liberale und Polen sollen die künftige Majo-
rität sein. Wir sind der Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat, daher gehen
kann.
Wien, 12. Mai 1888
Dr. Pattai gesprochen, der meinte, die reife Frucht des Antisemitismus
müsse doch zuletzt den Konservativen in den Schoß fallen und in der Schul-
frage handle es sich doch zunächst und vor allem um die konfessionelle
Trennung. Das andre, kirchlicher Einfluss und jener der Landesgesetzge-
bung – die liberalen Zentralisten nennen es „Verländerung“ – komme dann
notwendig von selbst.
Wien, 16. Mai 1888
Seit einigen Tagen wieder stürmische Entrüstung über das Vaterland
wegen ziemlich harmloser Enunziationen in Nr. 134, einer früheren
und folgenden, betreffend Straßendemonstrationen für Schönerer.1987
1986 Josef Hlávka (1831–1908), MöAH (1883–1891), MöHH ab 1891, ab 1885 MbLT, Architekt
und Mäzen, u. a. auch Mitarbeit an der Hofoper in Wien, 1. Präsident der böhmischen
Akademie der Wissenschaften; siehe den Eintrag vom 22.6.1888.
1987 Nach seiner Verurteilung wegen Hausfriedensbruches infolge eines Handgemenges in
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115