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BRÜNN, 3. OKTOBER 1888 861
Ich glaube, dass auf Leo sein präpotenter Neffe Franz Thun wie sein
Schwager Richard Clam und Georg Lobkowitz keinen guten Einfluss üben.
Wie es Leute geben kann, welche die Gefahr der Vaterlandskrise, die sie
so leichtsinnig heraufbeschworen haben, nicht sehen, die schwere Schädi-
gung des Adels, welche daraus erfolgen kann, und die Notwendigkeit eines
solchen Presseorgans nicht würdigen, ist schwer zu begreifen. Quem deus
perdere vult, etc.
Lösch, 30. September 1888
Ein düsterer Herbsttag und Vormittag Regen. Er schadete auch der Teil-
nahme an der nachmittägigen Versammlung zur Enthüllung der Gedenkta-
fel an Šebeštán Kubíneks Geburtshaus2024 und der folgenden Festversamm-
lung für das Papst- und Königjubiläum, welcher ich präsidierte.
Brünn, 2. Oktober 1888
Um 6 U[hr] Landtagssitzung, in welcher die vom Finanzausschuss bean-
tragte, gegen jede Reform der Schule gerichtete Resolution zur Verhandlung
kam. Wir, konserv[ativer] Adel und slaw[ische] Rechte, ließen den Bischof
allein sprechen und den Übergang zur Tagesordnung beantragen. Dr. Šrom
erklärte, dass wir uns zur Annahme dieser Resolution nicht zwingen lassen
würden. Bei der Abstimmung fiel der Antrag auf Tagesordnung mit 47 gegen
32 Stimmen und die gesamte Rechte verließ darauf den Saal. Der Landtag
ward dadurch nicht mehr beschlussfähig. Große Aufregung auf der Linken.
Wieder zeigte sich hier die höhere geistige Regsamkeit der Slawen. Die
slawischen Bauern umstanden alle in gespannter Aufmerksamkeit den Bi-
schof, als er sprach.
Die Deutschen saßen wie die Klötze in der fernsten Ecke des Saales auf
ihren Sitzen.
Brünn, 3. Oktober 1888
Landtagssitzung, welche der einfältige Alois Serényi trotz meiner Abmah-
nung beschlussfähig machte. Auf der Rechten große Verstimmung darob.
Indes wohl seine letzte polit[ische] Dummheit.
Eben erfahren, wie man die Schlingen um den Statthalter enger zieht.
Statthaltereirat Růžička geht in Pension, an seine Stelle kommt Baron Hein
und an dessen Stelle wird G[ra]f Bylandt einberufen, um bald den schwer-
kranken Türkheim zu ersetzen. In wenigen Monaten soll Statthaltereirat
Reim in Pension gehen und Chlumecký in Wien eifrig bemüht sein, an des-
sen Stelle seinen Verwandten, G[ra]f Pötting, zu bringen.
2024 Sebastian Kubínek.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115