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aller in derselben Weise zulässig, wie die Pragmatische Sanktion Karls VI.
zustande kam.
Nach der nach 1849 leider notwendig gewordenen, nur leider zu lange
fortgesetzten Diktatur erklärte Kaiser Franz Joseph I. im Diplom vom
20. Oktober 1860 sub 1: „Das Recht, Gesetze zu geben, abzuändern und auf-
zuheben, wird von uns und unseren Nachfolgern nur unter Mitwirkung der
Landtage, beziehungsweise des Reichsrats ausgeübt werden.“ Nichtsdes-
toweniger ward mittels k[aiserlichen] Patents vom 26. Februar 1861 eine
ganze Reichsverfassung oktroyiert.
Wie diese Akte aller und jeder Rechtsgültigkeit entbehren, so ist das
Gleiche bei der sog. Dezemberverfassung und dem sog. Ausgleich mit Un-
garn, dem Dualismus im Reich, den der illegale R[eichs]rat anerkannte,
der Fall.
Allen fehlt die rechtliche Grundlage, also die Rechtsgültigkeit.
Sie haben nur faktische Geltung. Und haben ja die Ungarn selbst die An-
erkennung des Ausgleichs von Seiten des böhmischen Landtags in den Fun-
damentalartikeln schroff zurückgewiesen.
Weder in den einzelnen Ländern noch später im Kaisertum Österreich
hat es jemals einen absoluten Herrscher de jure und de facto, wenn man will,
nur in der Zeit von 1849–1860, gegeben. Selbst Kaiser Ferdinand II. fiel es
nach der unseligen Revolution v[on] 1618 nicht ein, sich, sowenig als andre
christliche Fürsten, die das Recht achteten, für absolut zu erklären. Dies
blieb nur Sultanen überlassen.
Über staatsrechtliche Verhältnisse sollen am wenigsten die Herrn Magya-
ren, die, seit die jetzige Dynastie herrscht, in jedem Jahrhundert mindestens
einmal revoltierten und mit Türken, Franzosen und Preußen konspirierten,
den Mund nicht allzu voll nehmen.
Lösch, 17. Jänner 1889
Allezeit Mehrer des Reichs!
Die Lombardei und Venedig verloren und alle geschichtlichen und Rechts-
verhältnisse in die heilloseste Verwirrung gebracht! Wie mich, so peinigte
dieser Gedanke auch den sel[igen] Leo Thun.
Was soll aus unsern jungen Leuten werden, die in diesem Chaos aufwach-
sen?
Lösch, 19. Jänner 1889
G[rä]fin Thun-Clam-Martinic2075 auf Wunsch Leo T[huns] Konzept zu sei-
ner letzten Zuschrift an die Redaktion des Vat[er]l[an]d zurückgeschickt. Ihr
2075 Die Witwe Leo Thuns, geb. Clam-Martinic (Schwester der Grafen Heinrich und Richard).
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115