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BRÜNN, 27. JUNI 1892 997
sen Nachkommen – dass er wohl selbst kein Verlangen trägt, sein Werk zu
sehen.
Die edlen Wiener, welche der Kaiser bei jeder Gelegenheit seiner beson-
dern Liebe versichert, obgleich sie ihm 1866, als Bismarcks Preußen anrück-
ten, „Abdanken“ zuriefen – benehmen sich aber jetzt bei der Anwesenheit
Bismarcks in Wien unpatriotisch, ehrlos und schmählich wie immer. Des-
gleichen die Deutschen in Tetschen, Iglau und Znaim.2335
Erbärmlichkeit auf allen Seiten.
Am 20. erfahren, den Pfarrer Jos[eph] Klíma von Bistrc2336 habe am 19. d.
[M.] der Schlag gerührt!
Ein würdiger, eifriger Priester, mein langjähriger Freund und Mitarbeiter
in Katholikopoliticis.
Lösch, 24. Juni 1892
Die Stadt beginnt, den Festschmuck anzulegen, aber ausschließend zentra-
listisch, schwarz und gelb. Von den Landesfarben keine Spur. Nicht einmal
die Wohnung des Landeshauptmanns trägt diese, sondern ist wie ein Maut-
schranken gelb und schwarz.
Brünn, 26. Juni 1892
Früh 9 U[hr] Ankunft S[einer] M[ajestät].
Unerhörte Provokation durch gewaltsame Entfernung der Wappen der St.
Wenzelskrone am Besední dům durch die Polizei! Natürlich große Aufregung
und Missstimmung.
Wie plump und unvernünftig entfernte man Wappen, die ein Teil des
Reichs- und Kaiserwappens sind.
Brünn, 27. Juni 1892
Abends das Landesfest im Augarten glänzend und glücklich verlaufen.
Ein seltener Beweis für die Disziplin und Besonnenheit unsres Volkes,
sich trotz der perfiden, gewaltigen Provokation aller Ausschreitungen zu
enthalten. Nur die Jammergestalt des Ministers Pražák erntete ein viel-
stimmiges Pereat. Niemals in der Weltgeschichte ist es wohl vorgekommen,
dass in einer königlichen Landeshauptstadt in Anwesenheit des Königs das
königliche und Landeswappen, welches zugleich ein integrierender Teil des
2335 Zum Besuch Bismarcks vgl. engelBerg, Bismarck 2, 627–631. Anlass war die Hochzeit
seines Sohnes Herbert mit Gräfin Marguerite Hoyos, die im Palais Pálffy in Wien statt-
fand. Wilhelm II. verbat allen deutschen Diplomaten die Teilnahme und erwirkte auch,
dass Franz Joseph den frondierenden Alt-Kanzler nicht empfing.
2336 Josef Klíma, früher Pfarrer in Klobouky.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115