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PRAG, 30. OKTOBER 1892 1009
Und doch gilt diese verkehrte Annahme heutzutage fast allgemein.
Leider wohl infolge der allgemeinen Korruption und im Gefühl der eige-
nen Käuflichkeit.
Während des Linzer Katholikentages2359 ward mir von der Redaktion des
Vaterlandes über die von den Wiener Christlichsozialen in der Presssektion
inszenierte Hetze gegen dasselbe berichtet, in welcher das Vat[er]l[an]d als
ein von der Regierung subventioniertes Blatt von einzelnen Rednern und
ihren Blättern geschildert ward.
Ich wurde als einer der Gründer und seit 1861 mit der Leitung und Ver-
waltung des Blattes unmittelbar beschäftigt, von der Redaktion ersucht,
eine diesbezügliche, zu publizierende Erklärung abzugeben.
Ich gab diese nach bestem Wissen telegraphisch von Ingrowitz aus dahin-
gehend: „Das Vaterland habe niemals eine Regierungssubvention erhalten.“
Unangenehm waren ich und Franz Silva[-Tarouca], der bei Abfassung
und Absendung des Telegramms gegenwärtig war, berührt, als dieses im
Vat[er]l[an]d nach einigen Tagen nicht in seinem genauen Wortlaut er-
schien!
Das Rätsel ward mir während des letzten Landtags in Brünn durch Re-
dakteur Inthal gelöst.
Er sagte mir, er sei zurzeit, als der sel[ige] Leo Thun das goldene Vlies er-
hielt, eines Tages zu ihm gekommen. L[eo] T[hun], der sich immer als Eigen-
tümer des Blattes betrachtete – trotz meines stets wiederholten Protestes
– war damals gerade wegen kleinlicher Kritiken und Weiterungen unter den
böhmischen Subventionierenden im Zweifel an der Möglichkeit seiner Erhal-
tung geneigt gewesen, es ganz aufzugeben. Von diesem Entschluss scheint
ihn jedoch die winzige Gabe von 3 000 fl. von Taaffe aus dem Dispositions-
fonds, wie er Inthal sagte, ich aber nie erfuhr, abgebracht zu haben.
Deshalb konnte die so bestimmte Ableugnung meinerseits nicht wörtlich
abgedruckt werden, und um ein solches „Linsengericht“ ward unsre Selb-
ständigkeit, d. h. in den Augen der dummen modernen Welt leider „ver-
kauft“.
Ohne übertriebenes Selbstlob darf ich sagen, dass mein Wille, meine Aus-
dauer und meine Opfer – im Gelde bis heute 38 500 fl. – mit der Unterstüt-
zung weniger Freunde der Sache der hl. Kirche und der Monarchie in Öster-
reich das Hauptorgan erhalten habe.
Prag, 30. Oktober 1892
Ich kann nun auch kaum mehr, besonders über Treppen gehen! Die rechte
Hüfte (Ischias) schmerzt sehr.
2359 Dazu siehe die Einträge vom 12., 15. und 25.8.1892.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115