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334 V. Historisierung der Donau-Landschaft
gezogen. Im Westen geht die rigide Abgrenzung weder landschaftlich noch ideo-
logisch auf. Während Siebenbürgen als »ungeheure Festung« beschrieben wird,
»welche von der Natur aufgebaut und in die endlose Tiefebene des Ostens vor-
geschoben wurde, damit sie zum Schutze diene gegen die Barbarei des Ostens«,
alles in allem also ein »östliches Bollwerk« ist, wird die Grenze im Westen ledig-
lich von einem »wellenförmige[n] Hügelland« sowie Flüssen gebildet.203 János
Hunfalvy, Verfasser zahlreicher positivistischer geografischer Werke, zeichnete
in dieser Einleitung eine landschaftliche Physiognomik mit direkten politischen
Botschaften. Seine Landschaftsbeschreibung ist von einem Gründungsmythos
geprägt. Im Vorfeld der ungarischen Millenniumsfeier 1896 entstanden, appliziert
sie den für die Feier zentralen Mythos der Landnahme 896 auf seine allegorische
»Landkarte«. Im Mittelpunkt der Naturbeschreibung steht also das Staatswesen,
das »von dem Volke der Magyaren gegründet und bereits ein Jahrtausend hin-
durch unter den kritischsten Wechselfällen aufrechterhalten« wurde.204 Als seine
Träger erscheinen kriegerische Nomaden, »Landnehmer«, nicht Landbewohner,
welche die natürlichen Anlagen des Landes zu nutzen wissen:
Die Magyaren kamen in jener Gegend ins Land, wo der die Grenze bildende
Gebirgskranz am schmalsten ist. Nachdem sie die waldigen Gebirgsrücken über-
schritten hatten, folgten sie den Thalöffnungen und überschwemmten ohne Hin-
derniß die weite Tiefebene. Die in dieselbe mündenden Thäler führten sie dann
aufwärts in das gebirgige Hochland, dessen Einwohner ihnen ohne Widerstand
huldigten; dann setzten sie über die Donau, und nachdem sie auch das fruchtbare
Hügelland erobert hatten, drangen sie auf ihren schnellen Rossen bis zur Save und
zur See vor. Mit jugendlichem Feuer, mit heldenmütiger Begeisterung stürmten
unsere auf Eroberung sinnenden Ahnen vorwärts, sie überschritten von Zeit zu
Zeit auch die natürlichen Grenzlinien und dehnten ihre Feldzüge weithin aus in
die südlichen und westlichen Länder. Aber bald ließen sie ab von ihren herum-
schweifenden Kriegszügen und siedelten sich innerhalb der von der Natur vorge-
zeichneten Grenzen an.205
Der bewegliche Nomade als Prototyp des Ungarn gehörte zum Bildervorrat der
Tausendjahrfeier, sein Charakter wurde von den Forderungen der Gegenwart
bestimmt.206 Seine imaginierten Eigenschaften, wie der kämpferische, klar abge-
203 Hunfalvy: Geographische Übersicht, p. 14
204 Hunfalvy: Geographische Übersicht, p. 15.
205 Hunfalvy: Geographische Übersicht, p. 15.
206 Cf. Dávidházi, Péter: Abstammungsmythen in der ungarischen Literaturge-
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»Die Donau ist die Form«
Strom-Diskurse in Texten und Bildern des 19. Jahrhunderts
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- »Die Donau ist die Form«
- Subtitle
- Strom-Diskurse in Texten und Bildern des 19. Jahrhunderts
- Author
- Edit Király
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20388-9
- Size
- 15.9 x 24.1 cm
- Pages
- 446
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Postmoderne Traditionsentwürfe bei Claudio Magris und Péter Esterházy 11
- Magris: Der Fluss aus dem Wasserhahn 13
- Esterházy: P. E. – c’est moi 15
- Die »Erfindung einer Tradition« 18
- Donau-Schrifttum im 19. Jahrhundert 18
- Geschichte und Natur – Modelle einer Beziehung 23
- Die »Eroberung der Natur« oder eine »friedliche [...] Mission«? 27
- Die Rede über die Donau im 19. Jahrhundert: Majestät im
- Bettlergewand 31
- Ansatzpunkte zu einer Geschichte der Donauregulierung im 19. Jahrhundert 34
- Regulierungsdispositiv und Regulierungsdiskurs 40
- Staat und Regulierung 41
- Regulierungsmacht und Kultivierungsauftrag 41
- Zentralistischer Staat und Verkehrsförderung 44
- Wasserstraße und Eisenbahn – Konkurrenz von Technologien 44
- Gewässerregulierung und Wasserstraßennetz im Habsburgerstaat des 18. Jahrhunderts 45
- Konzepte der Donauregulierung im 19. Jahrhundert 47
- Nachschublinien 52
- Regulierungsvorhaben des 19. Jahrhunderts – Überblick und Fallbeispiele 54
- Die »Verbesserung« der Donaulandschaft im 19. Jahrhundert 54
- Die Donau als Ganzes 55
- Die große Donauregulierung in Wien: Lokales versus Globales 56
- Die große Donauregulierung bei Wien: Vorrang der Interessen der Schifffahrt 57
- Diskussionen um die große Donauregulierung bei Wien 62
- Das Eiserne Tor 64
- Rechtliche Grundlagen 67
- Technische und Finanzierungsschwierigkeiten 70
- Folgen der Regulierung 72
- Zusammenfassung 74
- Reales und Imaginäres 76
- Diskurs(e) und Regulierung 80
- »durch Gehorsam besiegen« 80
- »von der Natur selbst vorgezeichnet« 81
- Die natürliche Wasserstraße, Regulierung als Disziplinierung 82
- Das Paradies der Auwälder 84
- Das ökonomische Moment 87
- Zirkulation 88
- Wasserstraßen, Warenflüsse, Menschenströme 91
- Lebensader der Monarchie 91
- Belebungs- und Störfaktoren 96
- Zusammenfassung 99
- Die Feuersäule des Weltverkehrs 101
- Reisen unter Dampf 103
- Das Dampfschiff 103
- Anfänge der Dampfschifffahrt – »eigentlich sogenannte Dampfschiffe« und Donaudampfschiffe 106
- Die Etablierung der Dampfschifffahrt auf der Donau 116
- Altes und Neues 117
- Die Donau als »Welthandelsstrasse« 120
- Monopole 124
- Zusammenfassung 124
- A Steam Voyage down the Danube 126
- Die Wahrnehmung einer Einheit 127
- Reiseberichte über die ersten Dampfschifffahrten auf der unteren Donau 1835 bis 1845 130
- Britische und deutsche Perspektiven 138
- Annäherung en gros und en détail 140
- Erwartung und Erfahrung 144
- »Watt’s und Fulton’s titanische[.] Erfindung« 148
- Gleiten, Sehen, Panorama 152
- Zusammenfassung 154
- Die Erfindung des Donauraums 155
- Raumsoziologische Begrifflichkeiten 158
- Topologische Modelle 161
- Imaginierte Geografien 162
- Balkanismus und Donauraum 166
- Mitteleuropa und Donauraum 168
- Band zwischen Okzident und Orient 177
- Das Entdeckungsszenario 179
- Todesfluss – Alexander Kinglake 184
- Aus dem Garten in die Wildnis 188
- Zusammenfassung 194
- Die Donau als Landschaft – Sicht und Übersicht 197
- Reisen beschreiben – Beglaubigungsstrategien des Authentischen 200
- Schreiben, Lesen, Reisen – Apodemiken 201
- Das »subjektive« Reisen 203
- Reiseliteratur als Werkstatt und als Fabrik 207
- Reisebewegung, Blicke und Räume 208
- Bürgerliche Reise und Territorium 209
- Donaufahrten auf dem Papier 210
- Das Gebot der Visualisierung 213
- Sehen was nicht (mehr) zu sehen ist 214
- Landschaft als Bild 217
- Natur als Landschaft 218
- Raumbeschreibung und Raumschöpfung in der Literatur 221
- Wandel der Wahrnehmungsstrukturen 223
- Die »malerische Donaureise«. Kanonisierung von Bildserien 225
- Mappenwerke und illustrierte Reisebeschreibungen 229
- Neue Vervielfältigungstechniken – Lithografie, Stahlstich, Fotografie 251
- Prachtbände: Enzyklopädische illustrierte Wanderungen 257
- Reise quer durch das Quellenmaterial 258
- Literatursoziologische Kontexte 261
- Wort und Bild 263
- Das Malerische in der (Reise-)Literatur 265
- Das Gemälde der Natur 266
- Malen im Kopf 268
- Blickregie 269
- Zeichner und Reiseschreiber: Felix Philipp Kanitz 273
- Der bereiste Raum 274
- Die Reise auf dem Papier 276
- Bedeutung von Karten, Bildern und Panoramen 278
- Was die Karte nicht fasst 280
- Die Sichtbarwerdung einer Region 282
- Zusammenfassung 283
- v. Historisierung der Donau-Landschaft 285
- Optische Inszenierung einer historischen Landschaft 287
- Himmelsdom und Ruhmeshalle: Der Blick von der Walhalla 292
- Historische Narrative 298
- Geschichtsfluss, Erzählfluss 298
- Schleifen und Linien in der Zeit 300
- Reise als Form der Geschichte 302
- Geschichte aus der Erdoberfläche 305
- Der geschichtsträchtige Fluss 308
- »Das Alpha und Omega Österreichs« 311
- Rhein – Donau: literarische Parallelen 311
- Der Strom einer deutsch-österreichischen Kulturmission 314
- Historische Donaureisen: Der große Schwabenzug 317
- Die historische Performance der ungarischen
- Milleniumsausstellung 324
- Die Millenniumsfeier 1896 – konfligierende Konzepte 326
- Die Welt als Kulisse in der Millenniumsfeier 330
- Vollzug und Übertragung in der Feier 332
- Landnahme und Landkörper 333
- Nationales Territorium als Echo- und Theaterraum 335
- Inszenierungen der Stromregulierung 1896 336
- Mediale Aufbereitung des Eisernen Tores 337
- Die Eröffnungszeremonie 338
- Auslegungen der Feier 339
- Tausendjahre-Symbolik: Eingemeindung und Ausgrenzung 340
- Tor und Epochenschwelle 342
- Zusammenfassung 343
- Topik und Topographie der Schwelle 345
- Schwellenkunde 346
- Das Eiserne Tor – widersprüchliche Einschreibungen 346
- Topoi der Eisernen-Tor-Regulierung 351
- Die Insel an der Grenze: Ada Kaleh 356
- Das Eiserne Tor als literarische Heterotopie 362
- Raumzeit 365
- Topik der Insel an der Grenze 367
- Eine Insel, zwei Inseln 368
- Die Utopie der Niemandsinsel 369
- Reisen horizontal und vertikal 371
- Navigieren, Steuern, Schreiben 373
- Stromerzählungen 375
- Die Lesbarkeit der Schöpfung 380
- Zirkulation der Zeichen 381
- Gattungsdilemmata der Literaturgeschichte 383
- Navigieren – erzählen 384
- Zusammenfassung 388
- Resumee 389
- Literaturverzeichnis 391
- 1) Quellen 391
- 2) Literarische, philosophische und publizistische Referenztexte 403
- 3) Forschungsliteratur 406
- 4) Nachschlagwerke, Lexika 426
- Abbildungsverzeichnis 427
- Personenregister 430
- Sachregister 439