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Forschungsstand | 33
men, denen zufolge er aus der Kriegszeit stammt.85 Diese Angaben wurden aber
nie mit Quellen belegt. Christian Geinitz äußerte in seiner fulminanten Studie
über Freiburg im Breisgau daher zu Recht Bedenken über derartige Postulate.86
Schließlich ließ sich nirgendwo in der Forschungslandschaft und der bisher er-
schlossenen Quellenmenge ein Beleg dafür finden, dass der Begriff „Augusterleb-
nis“ aus der Kriegszeit selbst stammt. Auch in den hier herangezogenen (Grazer)
Quellen wurde der Begriff oder ein ihm ähnelnder Terminus nicht angetroffen.
Gleichwohl konnte ich mit Rückgriff auf das mit Vorsicht zu genießende Google-
Online-Tool „Ngram Viewer“ den Begriff „Augusterlebnis“ in einer Zeitschrift aus
der Kriegszeit ausfindig machen.87 Es handelt sich hierbei um die protestantische
Kulturzeitschrift „Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist“ (Stuttgart),
die 1916 einen Text druckte, der sich explizit auf das „Augusterlebnis“88 bezog.
Weitere Nennungen wurden von mir nicht gefunden, wenngleich ich mit Hilfe der
– ebenfalls unter Vorbehalt zu genießenden – Volltextsuche des AustriaN Newspa-
per Onlineportals (ANNO) der Österreichischen Nationalbibliothek nach dem
Begriff „Augusterlebnis“ suchte.89 Selbst wenn der betreffende Computer alle seine
zur Verfügung stehenden Zeitungen und Zeitschriften90 durchforstet, findet er für
die vierjährige Kriegszeit keinen Treffer in puncto „Augusterlebnis“. Es kann da-
her davon ausgegangen werden, dass der Begriff während des Kriegs – konträr zur
deutschen und österreichischen Nachkriegszeit – sehr selten gebraucht wurde, was
quasi bedeutet, dass die Menschen damals andere Begriffe zur Beschreibung und
zur verzerrenden Konstruktion des Stimmen- und Stimmungsgeflechts zu Kriegs-
beginn verwendeten. Welche Begriffe und Formulierungen die Grazer Tageszei-
tungen dafür heranzogen, ist Teil dieser Arbeit. In Deutschland war diesbezüglich
vielfach vom „Wunder der Einheit“91 die Rede.
85 Vgl. z. B. den Lexikonartikel „Augusterlebnis“ von Jeffrey Verhey in: Hirschfeld/Krumeich/Renz
(22014), 357–360, 357.
86 Geinitz (1998), 15.
87 https://books.google.com/ngrams [Stand 12.3.2017]. Ein Abriss über die Chancen und Probleme
(z. B. die optical character recognition) des Google-Online-Tools „Ngram Viewer“ in: Haber
(2012), 59–61.
88 Der Türmer 19 (1916), Nr. 1, 44: „Darin unterscheidet sich jenes Augusterlebnis von dem, was
nach ihren Bekundungen [...].“
89 http://www.anno.onb.ac.at/ [Stand 12.3.2017].
90 Vorrangig handelt es sich hierbei um österreichisch-ungarische Zeitungen und Zeitschriften.
91 Siehe diesbezüglich vor allem die Studien von Thomas Raithel.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453