Page - 44 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Rahmenbedingungen44
bilden die „globalgalaktischen“ Perspektiven zusammen mit den „mikropingeli-
gen“ und weiteren nur vage formulier- und abgrenzbaren Beobachtungsmaßstäben
ein „Kontinuum“138, dessen jeweiliger Bereich seine eigenen Vor- und Nachteile
mit sich bringt. Wenn man sich dem Kriegsbeginn in Graz entlang zweier Fra-
genbereiche – dem Kriegsausbruch/Kriegseinbruch (1) und der Einheitsbildung
(2) – nähert, liegt die Einnahme einer mikrohistorischen Perspektive nahe. Wie
nun die (noch darzulegenden) Alltagsmomente zustande kamen, ist schwierig zu
erfassen. Schließlich begibt man sich hierbei auf kausales Terrain. Die Geschichte
ist aus meiner Sicht vielfach kontingent, zumal sich tendenziell vieles schlagartig
ändern kann, aber die Veränderungen an sich erfolgen nicht zur Gänze willkür-
lich. Schließlich kann nicht alles „zu jeder Zeit passieren.“139 In welcher Form der
geschichtswissenschaftliche (nicht der mathematische) Zufall diesbezüglich eine
Rolle spielt, ist schwierig zu bemessen. Prinzipiell lässt sich sagen, dass der (me-
thodisch unkontrollierbare) Zufall nicht oft in der Geschichtswissenschaft thema-
tisiert wurde.140 In dieser Arbeit umgehe ich ihn, indem ich – in Anlehnung an
Reinhart Koselleck – versuche, das Ausmaß an postulierter historischer Zufällig-
keit/Beliebigkeit durch (eigens angefertigte) Kausalerklärungen zu minimieren:
der Zufall gilt als nicht erfassbare „höhere“ Gewalt bzw. als „Motivationsrest“.141
Dritter Methodenstrang: Als Quellen dienen Zeitungen, Zeitschriften, Geset-
zes- und Verordnungsblätter, Jahresberichte, statistische Fachzeitschriften, Bro-
schüren, Festschriften sowie Archivmaterial.142 Der Schwerpunkt liegt gewiss auf
138 Kracauer (2009), 117. Zu Kracauer vgl. Moebius (22010), 54–57.
139 Pohlig (2009), 45. Vgl. dazu auch den Aufsatz „Globalifizierung“ von: Osterhammel (2015), 14:
„Standardisierung und Universalisierung sind zu Grundfiguren einer globalen Teleologie gewor-
den (wobei die heute übliche Perhorreszierung jeglichen teleologischen Denkens einer philoso-
phischen Prüfung bedürfte).“
140 Als bemerkenswerte theoretische Ausnahmen gelten diesbezüglich: Hoffmann (2005); Koselleck
(72010a).
141 Koselleck (72010a).
142 Quelleneditorische Notiz: Eckige Klammern in Direktzitaten und in Quellenangaben weisen
stets Autorenkommentare aus (z. B. Weglassungen, Erläuterungen, Datierungshilfen). Auf ein
thematisches oder moralisierendes „[sic]“ wurde verzichtet. Das grammatikalische „[sic]“ wurde
nur vereinzelt gesetzt. In einigen Fällen wurde in direkten Zitaten Beistriche stillschweigend ge-
strichen oder gesetzt. Wenn in Zeitungs- und Zeitschriftenzitaten zwei Seitenzahlen ausgewiesen
wurden, so weist die erste Zahl den Beginn des Artikels und die zweite das (von mir angeführte)
Direktzitat aus. Die unterschiedlichen Gesetzes- und Verordnungsblätter (der Statthalterei, der
Ministerien etc.) konnten nur bis zu einem gewissen Grad einheitlich zitiert werden. Zu den
Orten, an denen man die Quellen einsehen kann: Die gedruckten Quellen sind in diversen Bib-
liotheken der Karl-Franzens-Universität Graz, in der Steiermärkischen Landesbibliothek (Graz),
in der ÖNB (Wien) sowie über das AustriaN Newspaper Onlineportal (ANNO) der ÖNB ein-
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book Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453