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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Abbruch der diplomatischen Beziehungen | 139 köpfige“ Menschenmenge mehrmals mit Gewalt in die Redaktion der Tagespost (Stempfergasse) „einzudringen“.17 Ob dem wirklich so war, bleibt fraglich. Eventu- ell handelte es sich hierbei um eine Falschmeldung, zumal die Grazer Presse, die Arbeiter-Zeitung (Wien)18 und die hier durchgesehen Akten nichts über einen derartigen Vorfall berichteten. Fest steht hingegen, dass es an diesem Tag enorm regnete und dass das Warten auf die Nachricht mit Spannung erwartet wurde. Kei- ner konnte nur annähernd abschätzen, wie der weitere Verlauf der Geschichte aus- sehen würde. Für die hohen Militär- und Regierungskreise stand die Entscheidung zum Krieg gegen Serbien freilich schon lange vorher fest.19 Auf der Straße wusste man jedoch noch nichts von diesem Entschluss. Die Menschenmengen auf dem Hauptplatz und vor den Redaktionen setzten sich aus Frauen wie Männern unter- schiedlichen Alters zusammen. Auch die Anwesenheit von Kindern wurde ver- merkt. Die Stimmungen vor Ort wurden im Allgemeinen als angespannt und leise beschrieben. Als die Grazerinnen und Grazer dann ungefähr20 um 19  Uhr erfuh- ren, dass Österreich-Ungarn die diplomatischen Beziehungen zu Serbien abbrach, machte sich den Zeitungen zufolge bei den Menschen auf der Straße ein Gefühl der Erleichterung breit und man begann, heftig zu reden und zu diskutieren. Pres- seeinschätzungen wie diese erweisen sich für die Nachwelt immer als problema- tisch, zumal die Zeitungen in derartigen Stimmungsangaben auch ihre politischen Standpunkte einwebten oder die Artikel zur Gänze entlang ihrer eigenen Lebens- entwürfe ausrichteten. Dennoch erscheint es aus meiner Sicht verständlich, dass sich die wartenden Menschen erleichtert zeigten, wenn man berücksichtigt, dass der Juli mit allen seinen Ungewissheiten in puncto politischer Großwetterlage „nervenaufreibend“ und strapaziös war. In den Gesprächen auf der Straße traten daher nach der Kunde vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen vorange- gangene, sich gegenseitig oder selbst zugeschriebene, Alteritäten bezüglich Milieu, Geschlecht und Herkunft einstweilig in den Hintergrund. Im Vordergrund stand vielmehr die Erfahrung einer einschneidenden Nachricht, die mitunter das Ge- fühl, dass man nun ein (vermeintlich) gemeinsames Schicksal teilte, hochkommen ließ. Dies konnte unter Umständen diverse Anlehnungsbedürfnisse nähren oder verstärken, zumal viele Menschen in diesen Tagen Halt bei Mitmenschen suchten. Immerhin rückte der seit Mitte Juli diskutierte Krieg zwischen Österreich-Ungarn und dem „kleinen“ Serbien durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen 17 Der Eindruck in Graz, in: Neue Freie Presse, 26.7.1914, 6. 18 Die Kundgebungen in Graz, in: Arbeiter-Zeitung, 27.7.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 1. 19 Kronenbitter (2003a), 455–519. 20 Die Angaben in den Quellen variieren ein wenig.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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