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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Die „patriotischen“ Straßenumzüge | 145 unbedenklichen „Hurrapatriotismus“ offen, zumal der Arbeiterwille vieles, was mit den abendlichen Straßenumzügen in Verbindung stand, dem bürgerlichen Mi- lieu zuschrieb. Diese Verengung entsprach sicherlich nicht der Realität. Stattdes- sen ist davon auszugehen, dass sich auch einige Sozialdemokraten, Männer wie Frauen, an den „patriotischen“ Straßenumzügen beteiligten. Dementsprechend war der Arbeiterwille seit dem Sarajevoer Attentat sichtlich darum bemüht, jeden Grazer und jede Grazerin, aber besonders die Arbeiterschaft, fern von „hurrapat- riotischen“ Manifestationen zu halten. Sein Hinweis, dass der Steirerhof der „kle- rikale Stammsitz“ von Graz sei, ist daher als ein Appell an seine Leserschaft zu verstehen. Diesem Appell zufolge sollte man das katholisch-konservative (und das deutschnationale) Milieu meiden. Nach der erfolglosen Akklamation an den Korpskommandanten am Glacis zog der „patriotische“ Straßenumzug zur Grazer Burg, dem Sitz der Statthalterei. Die angestrebte Akklamation an den Statthalter misslang jedoch ebenfalls. Denn auch vor der Burg teilte ein Sprecher der Statthal- terei der Menschenmenge mit, dass der Statthalter zurzeit nicht da sei. Der Tages- post zufolge kam der Statthalter erst am 27.  Juli von einer rund einwöchigen Reise im Gouvernement Wolhynien (Wolyn, heutige Ukraine), wo er an der goldenen Hochzeit von Ferdinand von Radziwill und Pelagia Sapieha teilnahm, zurück.46 Enttäuscht verließen einige die Menge und gingen nach Hause oder weiter in ein Gast- oder ein Kaffeehaus. Die verbliebene Menschenmenge zog im Regen zurück zum Steirerhof, in der Hoffnung, den Korpskommandanten doch noch zu sehen. Dort angekommen, erfuhr sie, dass der Korpskommandant nicht mehr da sei. Dass in diesen Tagen Akklamationen an die „Elite“ (Offiziere, Politiker) ins Wasser fie- len, war keine Seltenheit. Mehrmals berichtete die Grazer Presse von „patrioti- schen“ Straßenumzügen, die – sowohl faktisch als auch im übertragenen Sinne – im Regen stehen gelassen wurden. Graz, das damals nur sechs Bezirke hatte, unterschied sich diesbezüglich nicht von einigen Städten Deutschlands. Schließ- lich missglückten dort ebenfalls mehrere Ovationssversuche. Als Gründe für deren Scheitern nennt die Forschung meistens die Ferienzeit/Sommerpause (so z.  B. in Berlin und in Hamburg).47 An den „patriotischen“ Straßenumzügen beteiligten sich hauptsächlich der Grazer Mittelstand, Soldaten, Studierende, Gymnasiasten, Politiker, Künstler, Journalisten und Pfadfinder.48 Meistens zogen sie zur Burg, zum Korpskommando, zum Steirerhof, zur Universität, zur Technischen Hoch- 46 Statthalter Graf Clary und Aldringen, in: Grazer Tagblatt, 28.7.1914, 4. 47 Verhey (2000), 57  f., 70. 48 Vgl. z.  B. Begeisterte patriotische Kundgebungen, in: Grazer Volksblatt, 27.7.1914 (Sonderaus- gabe), 3. Zu den Pfadfindern siehe speziell das Kapitel: Pfadfinder und Wandervogel.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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