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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Die „patriotischen“ Straßenumzüge | 147 rechterhaltung von „Ruhe und Ordnung“ widersprechenden – Gewaltsituationen selbst der bürgerlichen Presse zu viel. Der Ablauf dieser auf die Abendstunden beschränkten Straßenumzüge orientierte sich an der seit Jahrzehnten53 eingeübten Festtags- und Denkmaltradition: Es kam zu einer Rede eines Manns aus dem bür- gerlichen/akademischen oder aristokratischen Milieu (Zivilverwaltung, Militärs, Studierende, Presse, Kunstmilieu, Klerus). Man passierte, involvierte und insze- nierte Herrschaftsbauten sowie Denkmäler. Zudem stieß man Hochrufe auf die „Elite“ (Offiziere, Politiker) aus. Ferner sang man (sofern man textsicher war) po- litische Lieder, schwenkte Fahnen und trank alkoholische oder alkoholfreie Ge- tränke. Nicht selten marschierte auch eine Blasmusikkapelle mit. Das Singen und Gejubel – sowie das (plump und abwertend klingende) alkoholisierte „Grölen“ und „Lallen“ – waren zentrale Kanäle, um „Patriotismus“, Siegeszuversicht und Kriegs- bereitschaft zu signalisieren. Das Singen von Liedern hatte nicht nur Auswirkun- gen auf andere, sondern bereits auf diejenige Person, die sang. Schlussendlich konnte das Singen sowohl „patriotische“ Gefühle verstärken als auch bei einigen diese erst evozieren. Auf die Studierenden trifft ersteres stärker zu, zumal sie nicht sonderlich zum „Hurrapatriotismus“ ermutigt werden mussten. Überdies konnten die Lieder etwaige „unmännliche“ und „nervöse“ Ängste kaschieren bzw. kurzfris- tig unterbinden. Wer nun bei diesen „patriotischen“ Liedern mitsang, ist schwierig zu bemessen. Die Zeitungen bieten diesbezüglich nur wenige und vage Hinweise. Im Arbeiterwillen hieß es vereinzelt, dass eine „Anzahl klerikaler Studenten“ die Kaiserhymne sang.54 Stellungnahmen wie diese sind nicht ausschließlich als par- teipolitischer Abgrenzungsversuch zu verstehen. Ihr Inhalt entsprach durchaus der Realität. Der Text und die Melodie der Kaiserhymne („Volkshymne“55) waren 53 Zu den Grazer Gesangs-, Turn-, Schützen-, Jagd-, Heimat- und Trachtenvereinen nach wie vor: Leinweber (1974), des Weiteren: Moll (2007b). 54 In Erwartung der Entscheidung, in: Arbeiterwille, 26.7.1914, 5. 55 Die „Volkshymne“ erklang seit Anfang August auch wieder vom Grazer Glockenspiel (am Glo- ckenspielplatz). Das Glockenspiel wurde von 1905 bis 1929 vom Geschäftsmann Gottfried Mau- rer privat betrieben. Zeitgenössischen Stadtplänen und Reiseführern zufolge erklang das Glo- ckenspiel in den Sommermonaten mitunter täglich um 18  Uhr. Die Walze spielte z.  B. das Lied „Hoch vom Dachstein an“ (Das sogenannte „Dachsteinlied“ ist seit 1929 die steirische Landes- hymne). Einige Male spielte das – Touristen und Touristinnen anziehende – Glockenspiel auch die „Volkshymne“. Seit Anfang Juli 1914 erklangen folgende drei Stücke: das Lied „Ich hab’ dir in die Augen g’schaut“, das „Hobellied“ sowie das Lied „Zwei Sternlan am Himmel“. Anfang Au- gust 1914 schaltete man hingegen wieder die „Volkshymne“ ein. Im weiteren Verlauf des Kriegs erklang auch der „Glockenspiel-Ländler“ sowie die Lieder „Du mei flochshorats Diandl“, „Muß i denn zum Städtle ’naus“ und „Oh, du mein Österreich“. Vgl. z.  B. Das Grazer Glockenspiel, in: Grazer Tagblatt, 7.8.1914 (Abendausgabe), 3. Abseits der regelmäßigen Zeitungskurzberichte
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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