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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Innenstadt und Bahnhof150 Sie schien unheimlich und übermächtig zu sein. Im Grunde genommen strömte die sich bewegende „Masse“ – vom bürgerlichen Standpunkt ausgesehen – eine unkontrollierbare, zerstörerische Kraft aus. Diese Angst vor der anonymen und unorganisierten „Masse“ verspürte man selbstverständlich nicht bei den eigenen Umzügen des Bürgertums. Vielmehr vernahm man sie bei den Demonstrationen der linkspolitischen Milieus. Ferner hatte man Angst vor der als „aufrührerisch“ geltenden „Masse“ von Arbeitslosen.66 Die „patriotischen“ Straßenumzüge von Ende Juli änderten nun die bürgerliche Meinung hinsichtlich jenen „Massen“, die der unorganisierten „Volksseele“ folgend würden. So urteilten die bürgerli- chen Redaktionen schlagartig wohlwollend über die (sich bewegenden) „große[n] Menschenmassen“.67 Floskeln wie „massenhafter Bewegung“68 wurden nun mehr- mals gedruckt. Ebenso positiv beurteilte man die „Massenwanderung“69 vieler Grazer und Grazerinnen zum k.  k.  Zivilinterniertenlager (am) Thalerhof.70 Der Arbeiterwille schenkte im Gegensatz zur bürgerlichen Presse den „patriotischen“ Straßenumzügen von 1914 nur wenig Beachtung. Er zog auch nicht den Begriff „Masse“ zur Beschreibung dieser Alltagsmomente (Gelegenheitsstrukturen) he- ran. In den meisten Fällen reichten seine Zeilen nicht über eine Randnotiz oder einen Kurzartikel hinaus. Dabei unterschied der Arbeiterwille konträr zur bür- gerlichen Presse konsequent zwischen dem (seiner Ansicht nach weit verbreite- ten) Moment der Neugier und dem (seiner Ansicht nach quantitativ gering aus- fallenden) kriegschauvinistischen Moment. Während die Legitimität des ersten Moments für den Arbeiterwillen außer Frage stand, kritisierte er jedwede kriegs- chauvinistische Straßenartikulation zur Gänze: „Nicht die sind die wahren Patri- oten, die blindlings und ohne Überlegung zum Krieg hetzen, nicht das Schreien auf der Straße entscheidet, sondern die Entschlossenheit, solange noch Hoffnung ist, für den Frieden zu kämpfen, dann aber seinen Mann zu [...  stehen], wenn die Würfel gefallen sind.“71 Dass seine unverhohlene Kritik am „Hurrapatriotismus“ neben pathetisch-martialisch formulierten Artikeln stand, wird im Laufe der vor- liegenden Arbeit weiter ausgeführt. An den „patriotischen“ Straßenumzügen nah- men gemäß den bürgerlichen Zeitungen meistens so an die tausend („Tausende“) Menschen teil. Der Arbeiterwille sprach bezüglich der Straßenumzüge weitgehend 66 Siehe auch das Kapitel: Arbeitslosigkeit. 67 Neuerliche patriotische Kundgebungen, in: Tagespost, 28.7.1914, [ohne Seitenangabe]. 68 Der gestrige Tag, in: Tagespost, 28.7.1914, [ohne Seitenangabe]. 69 Die Gefangenen am Thalerhof, in: Grazer Volksblatt, 7.9.1914 (18-Uhr-Ausgabe), 2. 70 Siehe das Kapitel: Erste „Soldatenerzählungen“. 71 Patriotismus, in: Arbeiterwille, 7.8.1914 (Abendausgabe), 1.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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