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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Innenstadt und Bahnhof238 zwölfjähriges Mädchen handliche Bomben auf die k.  u.  k.  Armee geworfen habe.548 Zudem bestätigten die „Soldatenerzählungen“ den seit Tagen kolportierten Topos einer schlecht schießenden russischen Armee. Einer anderen „Soldatenerzählung“ zufolge seien die Kosaken feige und die serbische Bevölkerung falsch und hinter- listig. So hieß es von einem Verwundeten: „Ich habe nie an einem von Väterchens Lieblingssoldaten Tapferkeit gesehen.“549 Im Gegensatz dazu attestierten die ano- nym zu Wort kommenden Soldaten der russischen Artillerie eine „verdammt gut[e]“ Schlagkraft, da es sich um „guate Gschütz, alls ‚englische‘ Kanonen“ hand- le.550 Ähnliches teilte auch ein anderer Soldat der Presse mit: „Die russische Infan- terie sei feig und schieße schlecht, was von ihrer Artillerie, die wohl übermächtig sei, nicht behauptet werden könne.“551 Artikel wie diese spiegelten nicht nur ver- klauselt langjährige militärische Abstimmungen zwischen Russland und Großbri- tannien/Frankreich wider (=  Form der publitzistischen Kriegslegitimierung/ Feinddiffamierung), sondern sie sprachen auch der russischen Artillerie eine enorme Schlagkraft zu. Durch diese Artikel wurden daher einerseits auf subtile Weise Kriegslegitimationen unter die Leute gebracht, andererseits wurden so auch „militärische“ Zugeständnisse und Eingeständnisse gemacht, die nicht selten den tatsächlichen Erfahrungen der Soldaten entsprachen.552 Die in der bürgerlichen Presse veröffentlichten „Soldatenerzählungen“ standen manchmal in einem schar- fen Kontrast zu den kolportierten Kriegsgräueln der russischen Armee. Markant illustriert sich dies an jenen Textstellen, in denen die k.  u.  k.  Soldaten berichteten, dass „die verwundeten österreichischen Soldaten am Schlachtfelde vom russischen Roten Kreuz und den Sanitätssoldaten verbunden“ wurden.553 Neben diesen Arti- keln, die sozusagen der russischen Armee eine geringfügige Humanität addizier- ten, finden sich auch Berichte, in denen zu lesen war, dass die verwundeten oder schwerkranken k.  u.  k.  Soldaten „von den Russen auf Stroh gelegt und lebend ver- brannt werden“.554 Stellungnahmen wie diese intensivierten verständlicherweise die Frage nach dem „richtigen“ Umgang mit den Kriegsgefangenen und Zivilinter- nierten. Die Presse musste diesbezüglich jene kursierenden Gerüchte entkräften, 548 Ebd. 549 Ein Besuch im Grazer Garnisonsspital, in: Grazer Tagblatt, 8.9.1914, 5. 550 Bei den Verwundeten, in: Arbeiterwille, 5.9.1914, 3. 551 Tiroler, Kärntner und Steirer im Felde und was ihnen fehlt, in: Grazer Tagblatt, 26.9.1914 (2.  Morgenausgabe), 3. 552 Vgl. dazu: Schmitz (2013). 553 Österreichische und russische Soldaten im Leiden friedlich vereint, in: Grazer Volksblatt, 6.9.1914, 5. Vgl. auch: Ein aufsehenerregender Verwundetentransport, in: Grazer Tagblatt, 6.9.1914, 24. 554 Transport von russophilen Verrätern, in: Grazer Volksblatt, 5.9.1914, 5.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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