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Transportkolonne am Bahnhof | 255
Verfügung.644 Als Kompensation spendete sie dem Roten Kreuz Geld.645 Die Ver-
wundetenzüge kamen oft nicht pünktlich an, was der Transportkolonne enorme
Probleme bereitete. Regelmäßig hieß es in den Zeitungen: „Der Zug, der schon um
halb fünf angesagt war, traf jedoch wieder mit bedeutender Verspätung hier ein.“646
Die Verspätungen beliefen sich nicht auf einige Minuten, sondern in der Regel auf
mehrere Stunden. Anfang September traf zum Beispiel ein Zug „mit mehr als sie-
benstündiger Verspätung in Graz ein.“647 Am Ende kam es sogar vor, dass entlang
der steirischen Bahnstrecken die vom Roten Kreuz geführten Verpflegungsstatio-
nen oft nicht ausrückten, weil diese nicht wussten, dass ein Verwundetenzug gerade
in einer Station hielt.648 In Graz selbst bereiteten die verspäteten Züge der Trans-
portkolonne deswegen Mühe, weil viele ihrer Mitglieder einem bürgerlichen Beruf
nachgingen und somit – konträr zum Bereitschaftsdienst – nicht Tag und Nacht
am Bahnhof waren. Der Abtransport wurde von einigen Schaulustigen erheblich
gestört. Ebenso störten sie die Arbeit der Transportkolonne vor den Spitälern und
Notlazaretten. Fortlaufend appellierten die Redaktionen an die Grazer Bevölke-
rung, sie möge die Transportkolonne, das Militär und das Frauenhilfskomitee in
Ruhe arbeiten lassen:
„Von den Aerzten und Krankenpflegern wird lebhaft darüber geklagt, daß die Bevölke-
rung bei der Einlieferung der verwundeten Krieger die Ueberführung durch ihre Zu-
dringlichkeit stört. Es ist geradezu unglaublich, wie neugierig viele der Leute sind. Die
Krankenwagen werden durch die Menge immer wieder aufgehalten.“649
Anfang September war einmal der „Zudrang von Neugierigen [...] so groß“, dass
ein 7-jähriges Mädchen überfahren wurde und kurz daraufhin starb.650 Das Blo-
644 Ankunft Verwundeter, in: Arbeiterwille, 9.12.1914, 3.
645 Spenden für das Rote Kreuz, in: Grazer Tagblatt, 8.9.1914, 3: „Die Grazer Tramway-Gesellschaft
hat neuerlich 4000 [… Kronen], diesmal zur Anschaffung von Transportmitteln für die Beför-
derung Schwerverwundeter, gewidmet, da sich die ursprünglich von der Gesellschaft bereits zu-
gesagte Beförderung von Verwundeten auf den Tramlinien als nur mit großen Schwierigkeiten
durchführbar herausgestellt hat.“
646 Ankunft Verwundeter, in: Grazer Mittags-Zeitung, 7.11.1914, 3.
647 Ankunft eines großen Verwundetentransportes, in: Grazer Volksblatt, 5.9.1914 (12-Uhr-Aus-
gabe), 3.
648 Welche Nachteile bringt die Unsicherheit im Eintreffen der Verwundetentransporte mit sich?, in:
Grazer Tagblatt, 8.9.1914, 3.
649 Mehr Rücksicht für Verwundete und Pfleger!, in: Grazer Mittags-Zeitung, 8.9.1914, 3.
650 Eggenberg. (Verwundete.), in: Grazer Vorortezeitung, 6.9.1914, 3. Vgl. auch: Überfahren, in:
Grazer Tagblatt, 5.9.1914 (Abendausgabe), 3.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453