Page - 286 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen286
die Surrogatempfehlungen sowie die Hinweise auf diverse Ratgeberbroschüren197
erst ab November 1914. Und im Frühjahr 1915 machten sich die ersten Gedanken
bezüglich der Errichtung von (subsistenzlandwirtschaftlichen) Kriegsgärten
breit.198 Die Hamsterkäufe setzten chronologisch gesehen erst nach dem Andrang
auf die Geldinstitute ein. Aber auch sie trugen zur unruhigen „Hyperaktivität des
Kriegsbeginnes“199 bei. Dem Volksblatt zufolge stiegen seit der Bekanntgabe der
Teilmobilmachung (27. Juli) in zahlreichen Grazer Geschäften und auf den Märk-
ten die Lebensmittelpreise.200 Von dem Anstieg waren laut Volksblatt sogar jene
Produkte betroffen, „die durch die Mobilisierung gewiß nicht in Betracht kommen
können“, weswegen die darüber von allen Milieus (insbesondere von Frauen) geäu-
ßerte „bittere Klage“ völlig berechtigt sei.201 Zeitgenössischen Erhebungen zufolge
stiegen in den ersten Kriegsmonaten sämtliche Preise (Backmehl, Brot, Milch, But-
ter, Eier, Zucker, Rindfleisch, Schweinefleisch und Schweineschmalz). Der durch-
schnittliche Kartoffelpreis sank dagegen in den ersten Kriegsmonaten.202 Die Gra-
zer Tages- und Wochenpresse übte begreiflicherweise scharfe Kritik an den aus
ihrer Sicht unbegründeten Preissteigerungen.203 Darüber hinaus druckte sie die
betreffenden Verlautbarungen des Kaisers, des steirischen Statthalters, des Militär-
kommandos Graz sowie des Gremiums der Kaufmannschaft in Graz, in denen
ebenfalls die steigenden Lebensmittelpreise beanstandet wurden.204 Die soge-
nannte „Kaiserliche Verordnung vom 1. August 1914, mit welcher für die Dauer
der durch den Kriegszustand verursachten außerordentlichen Verhältnisse Be-
197 Exemplarisch kann hier auf die Kurzschrift von Otto Loewi (1873–1961) verwiesen werden, die
„sich hauptsächlich an die Stadtbevölkerung“ richtete und der Frage nachging: „Wie decken wir
in dieser Zeit am besten unseren Bedarf an Eiweiß und an Kalorien?“ Vgl. Loewi (1915), 4, 7.
198 Für den Verein „Heimgarten“ vgl. Verpachtung städtischer Gründe an den Verein „Heimgar-
ten“, in: Grazer Tagblatt, 11.3.1915 (2. Morgenausgabe), 3; Kriegsgärten des Vereines „Heimgar-
ten“, in: Arbeiterwille, 15.3.1915 (Abendausgabe), 4; Aus der Gartenbau-Gesellschaft, in: Grazer
Volksblatt, 16.3.1915 (18-Uhr-Ausgabe), 3.
199 Geinitz (1998), 147.
200 Große Preistreiberei infolge der Mobilisierung, in: Grazer Volksblatt, 29.7.1914 (Abendausgabe),
3. Vgl. parallel: Große Preistreiberei infolge der Mobilisierung, in: Kleine Zeitung, 30.7.1914, 8.
201 Große Preistreiberei infolge der Mobilisierung, in: Grazer Volksblatt, 29.7.1914 (Abendausgabe), 3.
202 Vgl. die Preistabellen in: Rumpler/Schmied-Kowarzik (2014), 254.
203 Für die Tageszeitungen vgl. Die Teuerung in Graz, in: Arbeiterwille, 29.7.1914 (Abendausgabe),
1. Für die Wochenzeitungen vgl. Verschiedene Mitteilungen, in: Sonntagsbote, 2.8.1914, 7.
204 Die Kundmachungen wurden selbstverständlicherweise mehrfach verlautbart, vgl. z. B. Das
Gremium der Kaufmannschaft und die Lebensmittelpreise, in: Steiermärkisches Gewerbeblatt,
1.8.1914, 1. Zudem lassen sich die Kundmachungen den entsprechenden Verordnungsblät-
tern entnehmen, vgl. exemplarisch: Warnung, Verlautbarung des Militärkommando Graz vom
7.9.1914, in: Verordnungsblatt der k. k. steiermärkischen Statthalterei (9.9.1914), 317.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453