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Geschichte
Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und Einheitsprüfungen322 Erde“ begraben werden konnte. Und zweitens wusste keiner, wie der „Russe“ oder der „Serbe“ tatsächlich mit den Leichen bzw. mit den Gräbern umgehen würde. Es wurde bereits erwähnt, dass viele Grazerinnen und Grazer Anfang September zum Hauptbahnhof strömten, weil sie von den zurückkommenden Verwundeten wissen wollten, was sich da „draußen“ tatsächlich abspiele. Aber die Frage, wer sich um die Toten fernab der „Heimat“ kümmere, blieb – in einer Zeit, in der es zwar das Rote und das Silberne Kreuz382, aber noch kein Schwarzes Kreuz gab – weitgehend unbeantwortet.383 Die Presse versuchte, derartige Ungewissheiten und Ängste zu mildern.384 Nicht selten schrieben die Zeitungen, dass man in Graz wie in der gesamten Monarchie die Gräber der gegnerischen Soldaten würdevoll gestalten und pflegen würde: „Auch das Grab des serbischen Offiziers, welcher kürzlich in der [Grazer] Landwehrkaserne Selbstmord verübte, vergaß man nicht [am Grazer Zentralfriedhof] zu schmücken.“385 Sätze wie diese tauchten immer wieder in der Presse auf und sie dienten aus meiner Sicht nur in manchen Fällen als (verklärender) Ausweis der eigenen „ritterlichen“ Kriegsführung, um sich so besser von der „barbarischen“ Kriegsführung der Feindstaaten abgrenzen zu kön- nen. Meiner Interpretation nach scheint in den meisten betreffenden Artikeln die Hoffnung durch, dass die russische oder die serbische Armee würdevoll mit den Leichen und Gräbern der k.  u.  k.  Armee umgehen würde. Das setzte natürlich voraus, dass man auch in Österreich-Ungarn sorgsam mit den Soldatengräbern oder mit der letzten „Ölung“386 von fremden Soldaten umging. Dem war aber al- lem Anschein nicht überall so. Missbilligende Worte fand das radikal deutschna- tionale Tagblatt zum Beispiel darüber, dass man auf einem katholischen Friedhof in Bozen (Bolzano) einen muslimischen Soldaten der k.  u.  k.  Armee nicht neben die anderen Soldatengräber beisetzte, sondern etwas abseits davon: „Wir [das Tag- blatt] finden keine passenden Worte, um eine derartige Pietätlosigkeit einem fürs Vaterland gefallenen Helden gegenüber näher zu begreifen.“387 In einem anderen Fall, in Bruneck (Brunico), wurde ein Begräbnis eines protestantischen k.  u.  k.  Sol- daten verschoben, weil sich kurz zuvor herausstellte, dass der Sarg in der „Selbst- mörderabteilung“ beigesetzt werden müsse, weil er nicht in der katholischen Zone 382 Die k.  k.  Gesellschaft vom Österreichischen „Silbernen Kreuze“ wandte sich der Fürsorge für die heimkehrenden Soldaten bzw. die Kriegsinvaliden zu, siehe das Kapitel: Diebstahl und Betrug. 383 Das Österreichische Schwarze Kreuz wurde erst 1919 gegründet. 384 Vgl. z.  B. Ein steirischer Held in Ungarn beerdigt, in: Grazer Volksblatt, 24.9.1914 (12-Uhr-Aus- gabe), 3. 385 Die Gräber der Gefallenen, in: Grazer Mittags-Zeitung, 2.11.1914, 2. 386 Heutzutage spricht man von einer „Krankensalbung“. 387 Sind im Tode nicht alle Helden gleich?, in: Grazer Tagblatt, 20.11.1914 (2.  Morgenausgabe), 3.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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