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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Demonstrationen vor Geschäften | 341 monstration lieferte die Presse nicht. Das Tagblatt betonte aber, dass sich die Leute hauptsächlich über die Gewerbeschilder des Schneidermeisters entrüsteten: „Sie stießen Pfuirufe aus und verlangten stürmisch die Entfernung der beiden Firmen- tafeln.“ Die Situation wurde mit der Zeit immer kritischer und als letztendlich „die Demonstration bedenklich zu werden drohte, entschloß sich [...  der Schneider- meister], die Tafeln durch einen Burschen entfernen zu lassen.“ Dieser brachte die Tafeln hinein ins Geschäft und erst „dann verlief sich die Menge allmählich.“ Am nächsten Tag wurde der Schneidermeister Sava Lazic ins Landwehrdivisionsgericht überstellt.481 Sein Geschäft und seine Wohnung wurden behördlich gesperrt. Seine Frau musste mit den Kindern die Wohnung verlassen. Gab sich die Demonstrati- onsmenge in der Radetzkystraße mit der „Sprachbereinigung“ zufrieden, verlief die (zweite) viertägige Demonstration vor dem Laden des Selchers und Delikates- senhändlers Milan Golubovitz am Färberplatz dramatischer.482 Seit dem Vormittag des 27.  Juli wurde Golubovitz durch mehrere Demonstrationen „vier Tage hinter- einander in Schrecken und Angst versetzt.“483 Den Anlass dafür bot ein der Presse zufolge alkoholisierter Dienstmann, der vor dem Laden des Selchers proklamierte, dass Golubovitz ein Serbe sei. Folgt man den Schätzungen der Presse, beteilig- ten sich an der viertägigen Demonstration im Durchschnitt an die 500 Menschen. Dem Arbeiterwillen zufolge waren es in erster Linie Soldaten, Marktfrauen sowie einige Bekannte des Selchers, die vor dem Laden demonstrierten und das Geschäft mit Steinen bewarfen.484 Golubovitz ging daraufhin zur Polizei, wo er bestätigen konnte, dass er ungarischer Staatsbürger war. Nichtsdestotrotz musste die Grazer Sicherheitswache weiterhin täglich vor seinem Laden erscheinen, um die „antis- lawischen“ Demonstrationen aufzulösen. Dabei hatte sie stets Erfolg, wenngleich nur bis zum nächsten Tag. In der Nacht auf den 28.  Juli wurde die gläserne Firmen- tafel des Selchers zerschlagen. Daraufhin stellte der Selcher ein Plakattäfelchen in seinem Schaufenster auf. Auf diesem stand schwarz auf weiß: „Ich bin kein Serbe, muß wie alle in den Krieg.“485 Ebenso dementierte er noch am gleichen Tag – am Tag der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung – im Volksblatt die über ihn gestreuten Gerüchte. In dieser Anzeige stand Folgendes: 481 Vgl. z.  B. Verhaftung eines Gewerbsmannes, in: Grazer Volksblatt, 29.7.1914, 5. 482 Eine verfehlte Serbendemonstration, in: Grazer Tagblatt, 27.7.1914 (Abendausgabe), 6; Eine neu- erliche Demonstration am Färberplatz, in: Grazer Volksblatt, 30.7.1914 (Abendausgabe), 3. 483 Blinde Hetze gegen angebliche Serbenfreunde, in: Kleine Zeitung, 19.8.1914, 6. 484 Ruhig Blut bewahren!, in: Arbeiterwille, 30.7.1914 (Abendausgabe), 2; Gemeinheiten unter der Maske des Patriotismus, in: Arbeiterwille, 15.8.1914, 4. 485 Eine zertrümmerte Firmatafel, in: Grazer Tagblatt, 28.7.1914 (Abendausgabe), 4.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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