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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und Einheitsprüfungen360 von Ängsten – vor allem von Journalisten, die „zu Hause“ im „Warmen/Trockenen“ blieben – als „unmännlich“ bzw. als „nervös“ erachtet wurde. Sehr wohl entnimmt man den entsprechenden Artikeln jedoch einige unterschwellige Argumentations- techniken, die die Erhaltung der als „natürlich“ erachteten Rollenverteilung zum Ziel hatten. Meistens verpackte die Presse ihre Angst in Geschichten, in denen Frauen für ihr Verhalten (im Nachhinein) entweder kritisiert oder gelobt wurden. Heute lässt sich kaum mehr sagen, welche dieser Geschichten real und welche fin- giert waren. In den folgenden Beispielen trifft aus meiner Sicht eher Letzteres zu, woran man – sofern man dieser Annahme folgt – erkennt, dass die Redaktionen auch mittels erfundener Geschichten dazu beitrugen, dass die traditionelle Ge- schlechterrollenverteilung (letztendlich) aufrechterhalten wurde. In einem Aufsatz mit dem vielsagenden Titel „Dämon Weib“ erzählte die deutschnationale Mittags- Zeitung beispielsweise von einem (hochwahrscheinlich erfundenen) Fall, wo ein deutscher Soldat und liebevoller Vater in Belgien von seiner belgischen Frau, die einen „Franktireur“ als Liebhaber hatte, erschossen wurde.576 In einer anderen und offenbar ebenso fingierten Geschichte aus dem Jahr 1915 kam ein Soldat „aus“ dem Krieg zurück. Zuhause angekommen, fragte er die allein angetroffenen Kin- der nach dem Verbleib ihrer Mutter.577 Diese antworteten, sie sei mit dem „neuen Vater in die Stadt ins Gasthaus“ gegangen. Der Vater beschenkte und küsste die Kinder und sagte: „Sagt’s nur der Mutter, sie soll mit dem neuen Vater nur weiter- wirtschaften“. Dann machte er sich wieder auf den Weg. In einem ganz anderen Licht erschienen diejenigen Frauen, die auf ihren jeweiligen Mann warteten. Dieser Aspekt wurde beispielsweise in der Geschichte mit dem Titel „Frauen- treue“ vorgebracht.578 In dieser redaktionsfremden Erzählung erfuhr eine junge Berlinerin auf schriftlichem Wege, dass ihr Bräutigam im Krieg ein Bein und einen Arm verloren hatte. Aus diesem Grund gab ihr der Mann das „Wort“ (Ehegelöb- nis), das sie ihm – als er noch unversehrt war – gegeben habe, zurück. Die junge Frau ging daraufhin ins Lazarett und setzte dort die sofortige Hochzeit durch. Alle diese „ordnungsherstellenden“ Geschichten haben gemeinsam, dass sie sich primär um junge Frauen drehten, die sich entweder korrekt oder inkorrekt (zeit- genössisch: „unsittlich“, „unerhört“, „unpatritotisch“, „unsolidarisch“) verhielten. Publizistisch kompakt lässt sich diese Sehnsucht nach der Beibehaltung der tradi- tionellen Rollenverteilung in Peter Roseggers Kolumne „Heimgärtners Tagebuch“ greifen. Zwei Beispiele: 576 Dämon Weib, in: Grazer Mittags-Zeitung, 13.11.1914, 2. 577 Der neue Vater, in: Grazer Mittags-Zeitung, 12.7.1915, 3. 578 Frauentreue, in: Grazer Mittags-Zeitung, 23.12.1914, 3.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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